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Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Titel: Was wir unseren Kindern in der Schule antun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sanbine Czerny
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Stunden Arbeit an Korrekturen von Schülerarbeiten und Proben. Der Einsatz heutiger Lehrer wird offensichtlich noch an den Zeiten gemessen, in denen es genügte, für die nächste Stunde die Aufgabe im Buch zu wählen oder eine Matrize abzuziehen und Eltern in einem zehnminütigen Gespräch die Noten des Kindes mitzuteilen.
    Ich kenne in der Grundschule kaum mehr einen Lehrer, der bei Vollzeitbeschäftigung nicht durchschnittlich fünfzig bis sechzig Stunden pro Woche arbeitet. Studien bestätigen dies. Teilzeitkräfte arbeiten nicht wesentlich weniger, weil die Hauptarbeit des Lehrers eben nicht im Unterricht im Klassenzimmer liegt. Wohl nur Familien und Freunde von Grundschullehrern wissen, wie viel Arbeit dieser Beruf tatsächlich bedeutet und dass, ungesehen von der Gesellschaft, zahlreiche Lehrer an vielen Ferientagen, Wochenenden und meist bis spät in die Nacht hinein arbeiten, um den gestellten Anforderungen überhaupt noch gerecht werden zu können. Und genauso wenige Menschen können sich vorstellen, wie viel eigenes Geld ein Lehrer in seinen Beruf steckt, um beispielsweise das Klassenzimmer schöner zu gestalten, buntes Papier zum Basteln und Gestalten zur Verfügung zu stellen oder zum täglichen Musizieren eine Gitarre griffbereit zu haben. Viele Dinge, vom Rotstift über die Folien bis zum Lesesofa im Klassenzimmer, zahlt er privat, in den Schulen wird häufig nur weißes Papier und weiße Kreide
gestellt. Lehrer zu sein, bedeutet heutzutage multitaskingfähig und ein wahres Organisationstalent zu sein, vor allem aber: Idealist.
    Belastend für viele Lehrer ist auch, wie wenig Anerkennung und Wertschätzung ihnen entgegengebracht werden: Lehrer gelten als faul, unmotiviert, nicht belastbar — und zudem haben sie ja nur einen Halbtagsjob, „spielen mit Kindern“, haben zu viel Freizeit. Nicht selten werden Lehrer auch für die PISA—Misere verantwortlich gemacht. Neue Unterrichtsmethoden müssten her, wird dann gesagt, die Lehrer sollten sich fortbilden und schon vor dem Studium auf ihre Belastbarkeit geprüft werden! Anerkennung für die tatsächliche Leistung erhält man in der Regel höchstens von Eltern der Schüler. Wohl nur diese können einschätzen, was es bedeutet, mit immer schwieriger werdenden Kindern und Jugendlichen umzugehen und ihnen dabei noch Wissen zu vermitteln, dem diese zunehmend passiv gegenüberstehen. Und wohl nur diese Eltern sehen, wie viel Arbeit und Engagement vonseiten des Lehrers tatsächlich dahintersteckt, wenn das Lernen und Miteinander von neunundzwanzig Kindern gelingt, und mit welch vielfältigen Schwierigkeiten Lehrer zu kämpfen haben.
    Für viele Lehrer, die ich kenne, ist es am bedrückendsten, dass sie so viel Zeit für Arbeiten aufbringen müssen, die wenig sinnvoll sind, und dass genau deshalb einfach keine Zeit mehr für die Themen bleibt, die gut und hilfreich für die Kinder wären. Es kann auch nicht die Lösung sein, dass Lehrer ständig bis in die Nacht hinein oder am Wochenende arbeiten, um diesen Missstand auszugleichen. Gerade der Papierkram hat in den letzten Jahren immens zugenommen. Vieles davon war ursprünglich freibleibend als Unterstützung gedacht, heutzutage aber muss dies oft um seiner selbst willen oder zum Zwecke der Absicherung ausgeführt werden.
    Bestanden früher Zeugnisse in der Grundschule aus einigen aussagekräftigen Sätzen, sind sie inzwischen zwei Seiten lang. In jedem Fachbereich muss der Lehrer bis ins Detail Auskunft über Fähigkeiten und Schwächen geben, sodass oft die Gesamtaussage verloren geht und sich die Formulierungen ins Allgemeingültige
verlieren. Dafür dauert das Erstellen solcher Zeugnisse gut zwei Stunden pro Kind, das sind dann während der Zeugniszeit mal gut fünfzig bis siebzig Stunden innerhalb von drei Wochen — zusätzlich zum normalen Unterricht und zu den üblichen Vorbereitungen und Korrekturen. Fatal daran ist, dass jede Aussage in diesem Dokument theoretisch belegbar sein muss. Nicht nur aus diesem Grund sind Lehrer verpflichtet, Schülerbeobachtungen zu führen, vielmehr soll sich auf diese Weise die Diagnosefähigkeit der Lehrer verbessern.
    Vor einigen Jahren wurde in einer Lehrerkonferenz ein Konzept dazu vorgestellt. Betrachtete man diese Anweisung genauer, wurde deutlich, dass der Lehrer jeden Schüler zwei Mal im Monat auf über

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