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Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Titel: Was wir unseren Kindern in der Schule antun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sanbine Czerny
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könnte ich nicht tun, wenn ich meine Zeit anderen Dingen widmete.
    Statt dieser Art „Zusatzzahlungen“ sollte man anerkennen, dass Grund- und Hauptschullehrkräfte ebenso wertvolle Arbeit leisten wie Lehrer der Sekundarstufe. Das würde bedeuten, dass man alle Lehrer von Anfang an gleich besoldet. Die Leistung eines Lehrers — egal an welcher Schule — ist nicht messbar. Wie will man die Liebe eines Lehrers zu seinen Kindern messen, wie will man messen, wer sich wie kümmert, wie will man die scheinbar passive Zeit messen, die der Lehrer den Kindern für ihre behütete Entwicklung gibt? Versucht man es, wird das Wesentliche in den Hintergrund gedrängt und es geht nur noch darum, nachweisbaren Kriterien zu genügen. Dabei ist die Gesamtsituation entscheidend — insgesamt muss es passen, insgesamt muss es gut sein. Das Augenmerk wird aber auf nachweisbare Details gelegt. Das, was ich als Lehrer unsichtbar in der Klasse tue, welche Gedanken ich mir über den Unterricht und die einzelnen Kinder mache, die Gründe, warum ich hier kein Freiarbeitsmaterial gefertigt und dort kein Stationentraining durchgeführt habe, das alles fällt durch dieses Raster. Wichtig ist nur, was alles getan wurde. Dass manchmal viel wertvoller ist, was nicht gemacht wurde, wo Raum gelassen wurde, statt die Kinder mit Überflüssigem geradezu zuzumüllen, wird im besten Fall nicht gesehen oder aber sogar als Nachlässigkeit ausgelegt. Auch wird oft darüber geschwiegen, dass Klassen mit Strafandrohung dazu gebracht werden, vorbildliches Verhalten zu zeigen — denn vor dem Schulrat wirkt eine stille Klasse beeindruckender als eine, die sich natürlich verhält.
    Die Vorgaben für die dienstliche Beurteilung von Lehrkräften tun ihr Übriges, dass immer weniger diejenigen Pädagogen befördert werden, denen es um das Wohl der Kinder geht und die allen Einsatz am Kind leisten. Es geht da den Lehrern wie den Schülern: Die beste Unterrichtsarbeit genügt gerade mal für eine mittlere Bewertung, man erhält die Stufe „Vier” von insgesamt sieben Stufen, das reicht maximal für den Einsatz als Konrektorin an einer kleinen Schule. Um eine bessere Beurteilungsstufe zu erhalten und damit eine Chance darauf zu haben, als Rektor oder gar in höheren Positionen, sogenannten Beförderungsämtern, eingesetzt zu werden, muss man Fortbildungen halten, Ehrenämter bekleiden, sich überregional verdient machen, publizieren und dergleichen. Hier steht man als Lehrer vor der Entscheidung, für wen man seine Zeit nutzt: für die Kinder oder für sein eigenes Fortkommen.
    Entscheidend für eine gute Beurteilung und damit auch für eine Beförderung ist nach meiner Erfahrung aber vor allem, wie angepasst ein Lehrer ist. Lehrer, die Probleme ansprechen oder auch offen konstruktive Kritik äußern, haben meist schlechte Karten. Unter Lehrern erzählt man sich so einiges, was einem widerfahren ist. Einigen wird einfach ein Fehlverhalten angedichtet, andere werden richtiggehend schikaniert. Lange hält man so etwas kräftemäßig nicht aus.
    Diese Erfahrung habe ich selbst immer wieder gemacht. So wurde mir beispielsweise gesagt, als ich einem visitierenden Schulrat das unangemessene Verhalten eines Rektors andeutete, dass ich mit jedem Rektor gut auskommen müsse, selbst wenn dieser fortlaufend alle Kollegen cholerisch anbrüllen würde, „das wäre nun mal seine individuelle Art der Personalführung“. Zudem würde erwartet, dass ich Probleme selbstständig zu „handeln“ habe, was als Aufforderung verstanden werden darf, diese nicht zur Sprache zu bringen. Konkret ging es hier um die Situation, dass der Rektor Kinder wiederholt unbegründet in der Eingangshalle angeschrien hatte; in einem anderen Fall, dass an einer Schule trotz wiederholter Bitten mehrerer Lehrkräfte keine Erste-Hilfe—Materialien angeschafft wurden, weil die Rektorin die Pflaster zu teuer fand.

    Bei Unterrichtsbesuchen wurde mir fortan im Gegensatz zu früher eine schlechte Unterrichtsführung attestiert. Mein Schriftwesen — dies ist der offizielle Begriff für die gesamten Protokoll- und Schreibarbeiten — entsprach auf einmal nicht mehr der gewünschten Form, sodass ich es zeitaufwendig mehrfach neu arbeiten oder verändern musste. Oder es wurde unter anderem behauptet, ich hätte lediglich ein Arbeitsblatt mit

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