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Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Titel: Was wir unseren Kindern in der Schule antun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sanbine Czerny
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meiner ersten Klasse immer etwas früher beendete, kam ich doch nie pünktlich in der Hauptschule an. Die Zehn-Minuten-Pause — die damit wie die meisten anderen für Lehrer eigentlich keine ist — genügte nicht, um hier noch den Reißverschluss von Biancas Jacke zuzumachen, dort noch ein paar Tränen zu trocknen, weil sich Julius den Kopf angestoßen hat, meine Sachen zu packen, durch die Schule zum Auto zu rennen, an die Hauptschule zu fahren und dort wieder durch die Schule ins Klassenzimmer zu eilen — bepackt mit Kisten, die das gesamte Unterrichtsmaterial enthalten —, um dann dort erst einmal in der Klasse, die inzwischen schon eine Weile unbeaufsichtigt war, mit größter Mühe wieder Ruhe einkehren zu lassen. Sich in so einer Situation überhaupt den Respekt der Schüler zu erarbeiten, ist sehr anstrengend und scheint oft schier unmöglich.
    Vielleicht kann man sich vorstellen, dass manch ein Lehrer irgendwann einfach nur froh ist, wenn er das Schulhaus hinter sich gelassen hat. Ein fataler Zustand, wenn man bedenkt, dass viele Lehrer mit viel Enthusiasmus und großer Einsatzbereitschaft ihre Ausbildung begonnen haben. Aber meist dauert es nur wenige Jahre, bis die Wirklichkeit sie eingeholt hat und sie erkennen, dass sie nicht einmal einen Bruchteil dessen umsetzen können, was sie einst dazu bewogen hat, diesen Beruf zu ergreifen. Es gehört als Lehrer schon wirklich sehr viel Idealismus dazu, sich trotz all dem die Freude an seinem Beruf zu bewahren und sich auch nach Jahren noch für die Kinder einzusetzen. „Ich tue es für die Kinder …“, ist dann oft auch die einzig bleibende Erklärung gegenüber Freunden, Verwandten oder anderen Menschen, die gar nicht verstehen, warum man sich immer noch so engagiert.

Warum das Schulsystem die Persönlichkeitsentwicklung unserer Kinder behindert

    Detlef Teich
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    Fragt man Vorschulkinder heute, ob sie sich auf die Schule freuen, schauen sie oft unsicher und schwenken den Blick fragend zur Mutter. Aber selbst wenn einem noch ein begeistertes „Jaaa!“ entgegenschallt — häufig verlieren die Kinder, in der Schule angekommen, die Freude am Lernen schneller als ihre Milchzähne. Schule ist für viele Kinder heutzutage nicht mehr ein Ort, der ihnen etwas gibt, sondern ein Ort, der etwas von ihnen fordert und an dem nicht auf ihre Bedürfnisse geachtet wird. Denn dieses Fordern ist nicht Fördern mit liebevollem Blick auf das Kind, sondern es ist ein „Fordern — und wer′s nicht packt, verliert eben“. Ref. 3
    Kinder sind von Natur aus neugierige und wissbegierige Wesen. Sie leben noch völlig im gegenwärtigen Moment, sie erfassen die Dinge mit allen Sinnen. Sie haben noch ein natürliches Gewissen, sind ehrlich und auch direkt. Sie reagieren aus kindlicher Unschuld heraus und haben doch Zugang zum Wissen um die Dinge, um die Menschen. Wenn ein anderes Kind weint, trösten sie. Wenn etwas runterfällt und zerbricht, erstarren sie. Sie weinen für einen Moment, wenn sie sich wehgetan haben — doch schon Sekunden später ist das vergessen, und sie hüpfen fröhlich weiter. Und Kinder brauchen Zeiten mit sich allein, in denen sie nicht fremdbestimmt werden.
Manchmal sieht man sie mit abwesendem Blick irgendwo sitzen oder völlig vertieft in ein Spiel. Sie benötigen diese Phasen, um innerlich zu wachsen. Zunehmend wird ihnen aber dieser Raum nicht mehr gegeben. Schon im Kindergarten wird mit Blick auf die Einschulung und die Selektion in der vierten Klasse an den Kindern herumgedoktert. Unseren Kindern wird die Kindheit genommen. Der Blick auf das Kind findet immer häufiger durch die ″Schul-Brille″ statt: „Bist du so, dass du die Schule schaffst? Wie ist deine Feinmotorik? Kannst du still sitzen? Hältst du es bis zur Pause aus, um aufs Klo zu gehen, oder müssen wir deshalb zum Arzt? Kannst du dich auch etwas länger konzentrieren?“
    Natürlich sind all diese Dinge irgendwo auch wichtig. Aber es ist doch ein großer Unterschied, ob man zuallererst diese Aspekte im Fokus hat oder ob man einem Kind mit freundlichem Blick zu verstehen gibt: „Ich liebe dich, mein Kind. Ich bin so glücklich, dass es dich gibt. Ich sorge für dich. Was brauchst du, damit du gesund und glücklich groß wirst?“
    Schule greift heutzutage mit ihren Anforderungen massiv in das Familienleben ein und ist

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