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Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Titel: Was wir unseren Kindern in der Schule antun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sanbine Czerny
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zum großen Teil mitverantwortlich für gestörte Eltern-Kind-Beziehungen — dabei ist eine gesunde, tragfähige Beziehung zu den Eltern einer der wichtigsten Aspekte im Leben eines Kindes. Unser Schulsystem schafft es immer häufiger, dass Eltern an ihren Kindern verzweifeln, dass die Liebe und Zuneigung zu ihren Kindern in die Abhängigkeit von deren schulischen Leistungen und den erzielten Noten gerät. Wie viel Streit es allein morgens schon gibt, weil manch ein Kindnicht mehr in die Schule gehen will! Wie viel Streit wegen der Hausaufgaben, wie viel wegen der Noten! Eltern treffen viele Maßnahmen nicht mehr in erster Linie, weil ihr Kind diese für sich braucht, sondern weil es für das Kind im Hinblick auf die Schule notwendig ist.
    Negative Überzeugungen
    Und natürlich macht das etwas mit unseren Kindern. Sie merken, dass es nicht wirklich um sie geht, sondern darum, dass sie irgendwo hineinpassen sollen. Das geschieht natürlich zu
ihrem Besten, doch der Blick liegt nicht mehr auf dem Kind. Der Blick liegt darauf, wo das Kind hin soll.
    Die Punkte auf der Probe werden das entscheidende Kriterium dafür, ob man „taugt“ oder nicht. Kinder identifizieren sich mit ihren Schulnoten. Eine schlechte Note trifft ein Kind deshalb ins Mark und verletzt sein Selbstbewusstsein. Kinder bauen ihr Selbstbild darauf auf, wie ihnen begegnet wird, was die Umwelt von ihnen denkt und über sie sagt. Im Prinzip könnte man das wunderbar auf eine positive Art nutzen. Das, was man Kindern sagt, was man über sie denkt, wie man ihnen begegnet, das glauben sie, und das werden sie. Es ist, als ob sie in meinem Blick sehen würden, was in ihnen steckt, was sie erreichen können. In den letzten Jahren haben Wissenschaftler viel über die sogenannten Spiegelneurone herausgefunden und können diese Vorgänge nun tatsächlich fundiert belegen (siehe Informationskapitel „Gehirn“ ab Seite 190). Schade nur, dass wir vielen Kindern in der Schule stets ein negatives Feedback geben — geben müssen. Noch fataler aber, dass ein Kind gerade von der Lehrerin, die in ihren Blicken und Worten stets eine Vision für dieses Kind hat, die in diesem Kind das ganze Potenzial sieht, über die Probe eine gänzlich andere Rückmeldung erhält: Du genügst nicht. Ein Kind vertraut sich an. Und statt Visionen erfährt es Schmach. Was das wohl mit der Beziehungsfähigkeit des Kindes macht — Eltern, die von Liebe sprechen, aber das Kind verbiegen, Lehrer, die Potenziale offenbaren und sie gleichzeitig vernichten, eine Welt, die nur bestimmte Anteile des Kindes wertschätzt, aber nicht das Kind an sich? Ein Kind sieht die Vier oder Fünf auf seinem Blatt Papier und wird dabei regelrecht zu einer Vier oder einer Fünf. Nie werde ich vergessen, wie Jan, ein Schüler, mir wie selbstverständlich erzählte, er sei ein schlechter Mensch. Auf meine Nachfrage, wie er denn darauf käme, antwortete er nur: „Ich hab doch ständig Fünfer, ich tauge doch zu nichts und kann nichts.“ Jan war da gerade acht Jahre alt.
    Kinder können sehr wohl sehen, in welchen Bereichen sie sich bislang ein wenig schwerer tun und was ihnen dafür schon sehr gut gelingt. Aber wenn diese Note vor ihnen prangt, sind
sie nicht in der Lage, sich davon zu distanzieren. Das ist ein Urteil, das von außen kommt, und die urteilenden (erwachsenen) Menschen müssen recht haben. Man kennt das aus verschiedenen Bereichen, dass Kinder die Ansichten der Erwachsenen übernehmen. Ein Kind bezieht alles auf sich: Wenn seine Eltern sich trennen, ist es schuld daran, weil es böse war. Wenn es missbraucht worden ist, hat es das offensichtlich verdient. Wird es geschlagen, wird das schon richtig sein. Und wenn es eine Fünf bekommt, ist es ein schlechter und dummer Mensch. Selbst eine Drei gibt einem Kind lediglich das Gefühl, so einigermaßen okay zu sein. Um ein gesundes Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl zu entwickeln, müssen aber alle Kinder das Gefühl bekommen dürfen, toll zu sein. Wie eine Eins zu sein. Nur dann entwickeln sie sich gut.
    Es geht dabei auch gar nicht darum, einem Kind alles schönzureden oder es ausschließlich zu loben. Vielmehr muss man berücksichtigen, dass Kinder bis in die Pubertät hinein den Bezugspunkt für Bewertungen bei sich selbst sehen. Erst später ist es ihnen wirklich möglich, ihre Leistung, die von

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