Was wir unseren Kindern in der Schule antun
des ersten Aspekts â in der Regel allerdings, alle Kinder dahingehend zu âfördernâ, dass sie zur gleichen Zeit den gleichen Anforderungen in den Proben begegnen können. Das wird meist nur mit dem Blick auf die nächste Prüfung, selten aber mit Weitblick und im Sinne einer echten grundlegenden Bildung praktiziert. Für den zweiten Aspekt einer guten individuellen Förderung jedoch ist in unseren Schulen so gut wie gar kein Raum. Im Unterricht sind die Kinder immer auf die gleichen Inhalte festgelegt, die dann ja auch in der Probe abgefragt werden. Dabei könnten an ein und demselben Thema viele Kinder Unterschiedliches lernen und erfahren. Und sie könnten sich selbst einbringen, sodass alle von der Vielfalt und dem Facettenreichtum profitieren.
Und selbst da, wo Kinder bereits über die klassischen schulischen Inhalte hinaus gefördert werden sollen, wird die Realität dem Aspekt der individuellen Förderung nicht gerecht: An derzeitigen Ganztagsschulen wählen die Kinder meist zwischen einigen wenigen Angeboten, die aber allein aufgrund der Rahmenbedingungen oft nicht sinnhaft sind â und sind dort zudem erneut fest eingebunden. So kann man sich beispielsweise zwischen den an sich wirklich tollen Angeboten Basketball, Theater und Fotolabor entscheiden. Aber die Basketballtruppe, die in einer kleinen Einfachturnhalle miteinander übt und spielt, besteht aus achtundzwanzig Kindern, die Körbe hängen auf Erwachsenenhöhe und damit viel zu hoch und es gibt davon sowieso nur zwei. Die Fotogruppe besuchen zwanzig Kinder: Es gibt dort zwei Fotoapparate und einen Laborarbeitsplatz. In der Theatergruppe treffen sich neunundzwanzig Kinder. Und alle Truppen werden von jeweils einer einzigen Lehrkraft betreut. Was aber, wenn sich das Kind weder für Basketball noch
für Fotografie noch für Theater interessiert, sondern lieber malen, in einem Tanzprojekt mitwirken oder mit anderen Kindern physikalische Feldversuche durchführen möchte?
Noch entscheidender ist aber, dass unsere Kinder aufgrund des groÃen Zeitaufwandes fürs Pauken und Auswendiglernen kaum mehr Zeit haben, auch auÃerschulisch ihren Interessen nachzugehen. Wann sollten sie noch ein Musikinstrument lernen, wann Sport treiben? Wann sich ehrenamtlich in Kirche oder Gemeinde einbringen? Wann auch nur einfach mal ihren Gedanken nachhängen, um eventuell kreative Ideen zu entwickeln? All diese Zeit wird ihnen doch genommen â durch die Schule. So geht es schon den Kleinen in der Grundschule, wird aber noch weit schwerwiegender in den weiterführenden Schulen, derzeit gerade auch im G8. Und dabei ist diese Zeit nicht einmal effektiv genutzt. Kinder lernen nicht wirklich in der Zeit. Sie âlernenâ auswendig. Sie pauken. Aber Lernen ist doch ganz etwas anderes. Wenn Vertreter des mehrgliedrigen Schulsystems laut schreien: âWir wollen lernen!â und damit am bestehenden System festhalten wollen, sollte man ihnen entgegenschreien: âDann lernt doch weiter auswendig - wir wollen uns bilden. Wir wollen Bildung für alle!â Bildung heiÃt für mich âbildenâ, das bedeutet in etwa: sich errichten, erschaffen, sich formen und ausbilden, sich ausprägen, Gestalt annehmen. Und dabei ist das Beherrschen von Faktenwissen einfach nur ein kleiner Teil, aber längst nicht der entscheidende. Zu guter Bildung gehört für mich, eine Selbstkompetenz zu entwickeln, also mit sich selbst klarzukommen, sich und seinen Körper kennen, vielfältige Bewegungserfahrungen, ganzheitliche und alle Sinne ansprechende Erlebnisse gemacht zu haben. Es heiÃt, eine Sozialkompetenz auszubilden, also zu lernen, eine gute Gemeinschaft mit anderen zu leben, Verantwortung für sich und die anderen zu übernehmen. Und es bedeutet, Demokratie zu leben beziehungsweise überhaupt erst einmal zu verstehen, was Demokratie heiÃt: dass man gemeinsam dafür sorgt, dass jeder einen guten Platz in der Gesellschaft hat und die Rechte und der Raum des Einzelnen gewahrt bleiben, nicht einfach nur, dass die Mehrheit bestimmt. Bildung beinhaltet für mich
auch Beziehungsfähigkeit, das Respektieren des Gegenübers und seiner Lebenswelt. Und Bildung bedeutet natürlich auch den Erwerb diverser Qualifikationen und eines fundierten Grundwissens. Rechnen, Schreiben, Lesen und darüber hinaus natürlich auch Kompetenzen, die den Umgang, die Weiterverwendung und
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