Was wir unseren Kindern in der Schule antun
betreute Gruppen im Ferienprogramm. Ich habe früh Erfahrungen im sozialen Miteinander von und mit Kindern gemacht. Mit Lernen an sich hatte das einerseits sehr wenig zu tun und andererseits sehr viel. Denn in vielen Situationen wurde mir deutlich, dass das Wichtigste für Kinder ist, liebevoll gesehen zu werden. Ich erlebte, dass sie oft erst dann offen dafür sind, sich mit Dingen zu beschäftigen, Regeln einzuhalten und mit den anderen Kindern ebenfalls achtsam umzugehen. Mir wurde bewusst, wie sehr das weitere Verhalten eines Kindes von meiner Reaktion abhing. Wie oft blickten sie zu mir, warteten: auf meine Wertung einer Situation, meine Reaktion. Es ist fast erschreckend, wie stark Kinder das übernehmen.
Und es ist fast jederzeit zu beobachten. Schimpfe ich mit Peter, weil er dreimal vergeblich aufs Tor geschossen hat, obwohl ein anderer Spieler frei stand, werden die Kinder ziemlich sicher auch auf ihn schimpfen, und Peter wird sich entweder gar nicht mehr trauen zu schieÃen oder gerade erst recht, um zu beweisen, dass er doch treffen kann. Sage ich aber: âMacht nichts, nicht so schlimm, das nächste Mal triffst du, aber schau dich doch auch mal um, vielleicht ist ja ein anderer frei, der noch günstiger stehtâ, ist es ziemlich sicher, dass einerseits die anderen Kinder nicht böse auf Peter werden, Peter aber sich weiter trauen wird zu schieÃen, obgleich er jetzt sicher mehr auf andere achtet und den Ball auch mal abgibt. Die Frage ist immer: Welche Aussage fördert eine gewünschte Verhaltensänderung? Und mit welcher Aussage will ich einfach nur recht haben und maÃregeln? Kinder wollen nicht ausgeschlossen werden, sondern ein Teil des Prozesses, ein Teil der Gemeinschaft sein. Im ersten Fall schlieÃe ich Peter in gewisser Weise aus, beziehungsweise nehme ihm seine Wahlmöglichkeit, im zweiten Fall hat er jetzt zwei Möglichkeiten, um der Mannschaft zu nutzen, und bleibt souverän.
Wenn Lena sich verletzt hat und weint, und ich daraufhin nur beiläufig sage, das sei doch nicht so schlimm, kann man beobachten, dass sich andere Kinder auch zunehmend weniger kümmern, sondern mit solchen und ähnlichen banalen Sprüchen über Gefühle anderer hinweggehen. Wenn sich Lena aber zu mir setzen darf, ich sie tröste, ihr die Hand auf die verletzte Stelle auflege und ihr sage, dass sie so lange in meiner Nähe bleiben darf, wie sie möchte, ist der Schmerz oft schneller vorbei, als ich schauen kann: Sie springt auf, lacht und weg ist sie wieder. Kinder brauchen das Gefühl, dass jemand da ist. Dass sie wichtig sind. Haben sie dieses Gefühl ehrlich bekommen, genügen oft Sekunden und alles ist wieder gut.
Mein weiterer Weg des Lernens nach meinem Studium
Nach meinem Studium und meiner Zeit als Lehramtsanwärterin, beides in hohem Maà von Theorie und Strukturen geprägt, die nur sehr bedingt hilfreich waren, übernahm ich meine ersten
Erstklässler. Es war natürlich etwas ganz anderes, achtundzwanzig Kinder vor sich zu haben, als nur einem einzelnen bei den Hausaufgaben zu helfen. Lernprozesse müssen und können in solchen Gruppen ganz anders arrangiert werden. Hilfreich waren mir meine Erfahrungen dennoch, insbesondere das Wissen, wie viel vom Lehrer als Person abhängt. Hatte ich im Studium zumindest ein wenig Kenntnis über Didaktik und Methoden erfahren, wurde mir nun sehr schnell klar, dass ich selbst in allen Fächern zunächst einmal die Inhalte wirklich beherrschen und eine innere Landkarte entwickelt haben musste. Denn vieles, was einfach anmutet, entpuppt sich plötzlich als recht komplex, wenn man es einem anderen Menschen vermitteln möchte. Und je jünger die Schüler sind, umso weniger kann man auf Vorwissen zurückgreifen, umso mehr Grundlagen müssen erst geschaffen werden, damit die eigentlichen Inhalte überhaupt vermittelt werden können. Das ist oft eine echte Herausforderung. Wie baut man eine Zahlenvorstellung auf, sodass Rechnen gelingt? Wie kann ein Sprachgefühl entwickelt werden, damit Kinder richtig schreiben?
Um gut unterrichten zu können, muss ich die möglichen Stolperstellen kennen, die Fehlerquellen, die möglichen falschen Abzweigungen, die das Denken und Erfassen nehmen kann. Nur so kann ich den Weg vorbereiten und alle meine Kinder zum Ziel leiten. Wenn man weiÃ, dass man sich an einer Felswand entlanghangeln muss, trainiert man lange vorher die
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