Was wir unseren Kindern in der Schule antun
Weiterentwicklung von Wissen ermöglichen.
Aber wir reduzieren die Ausbildung unserer Kinder fast ausschlieÃlich auf das Pauken und Wiedergeben von Faktenwissen, Rechenformeln und vorgegebenen Ansichten und begnügen uns mit einer oberflächlichen Ausprägung von Kernkompetenzen. Diese sind nämlich nicht gut abfrag- und bewertbar. Ganz im Gegenteil verhindert allein der Versuch einer Bewertung die Ausbildung dieser Qualitäten. Dafür nimmt die Schule mit ihrer Forderung, sich abfragbares Wissen einzutrichtern, so viel Zeit der Kinder in Anspruch, dass Kinder nicht einmal auf privater Basis die Möglichkeit haben, individuellen Interessen nachzugehen. Und dann spricht die Politik bei der Aufteilung auf drei Schularten davon, jedem Kind individuell gerecht zu werden, obgleich diese ja nur möglich ist, indem von allen Kindern das Gleiche gefordert wird.
Individuelle Förderung und Selektion schlieÃen sich gegenseitig aus.
Individuelle Förderung braucht Freiraum und ein Lernen ohne starre Grenzen. Die Selektion dagegen beruht auf einem begrenzten Lernen im erzwungenen Gleichschritt.
Wie ich lernte und wie ich lehre
⦠alles Wissen und
alle Vermehrung unsres Wissens
endet nicht mit einem SchluÃpunkt,
sondern mit Fragezeichen.
Hermann Hesse
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So wenig sich meine Vorgesetzten dafür interessiert haben, worauf ich mein Handeln und Wirken gründe, so oft wurde ich von anderen nach dem âGeheimnis meines Erfolgesâ gefragt: âWie kann es sein, dass die Kinder in Ihrer Klasse so viel bessere Ergebnisse erzielen und mit Freude lernen? Was machen Sie anders als andere Lehrer?â Ref. 4
Mir ist an dieser Stelle sehr wichtig, dass es nicht einfach âdie eineâ richtige und gute Art zu unterrichten gibt. Es gibt so viele tolle und engagierte Lehrer und jeder hat sein eigenes Wesen und seine eigene Methodik. Und gerade darin, in der Authentizität und damit in der Individualität des Lehrers, liegt der Schlüssel für guten Unterricht. Jeder Lehrer ist anders. Jeder wird auf andere Weise zum Erfolg kommen â wenn er denn darf, wenn er den Raum dafür bekommt und wenn das zugrunde liegende System sein Engagement nicht konterkariert. Im Wesentlichen unterrichte ich nicht anders als andere Lehrer auch. Ich vermute jedoch, dass für das erfolgreiche Lernen der mir anvertrauten Kinder in den letzten Jahren zwei Dinge ausschlaggebend waren: Zum einen, dass ich jenen Raum, der für mich und meine Kinder nötig war, so gut es ging auch gegen heftigste Störfaktoren verteidigt, mich über manch unsinnige Anweisung hinweggesetzt und trotz verletzender Missbilligung meiner pädagogischen und methodischen Arbeit durch Vorgesetzte nicht resigniert habe. Zum anderen, dass ich durch viel Arbeit, teilweise über siebzig bis achtzig Wochenstunden, versucht habe, trotz des Drucks der Vorgesetzten und der mir auferlegten Auflagen guten Unterricht zu ermöglichen und zu verhindern, dass meine Kinder den Schaden davontragen, den
das System an allen Kindern anrichtet. Eine Arbeit, die völlig unnötig ist â mit normalem Arbeitsaufwand ist gute und erfolgreiche Schule möglich, wenn das System anders wäre.
In vielen Punkten bin ich auch lange nicht so erfolgreich wie manch ein Kollege. Beispielsweise gelingt es der Kollegin im Zimmer nebenan, aus jedem Kind sein Talent beim Malen und Zeichnen hervorzuzaubern. Das erreiche ich in dieser Ausprägung noch nicht. Eine frühere Kollegin war Tänzerin und ihre Kinder haben das Glück, sich unter fachkundiger Leitung in verschiedenen Tanzstilen ausprobieren zu können und insbesondere auch modern und zeitgenössisch tanzen zu dürfen. Auch das kann ich meinen Kindern noch nicht bieten â mir fehlt die Zeit, mich in diesem Bereich fortzubilden und mich so intensiv damit zu beschäftigen, dass ich diese Fähigkeiten zunächst bei mir selbst entfalten kann.
Das ist aber auch nicht das Entscheidende. Das Entscheidende ist, dass das Gesamtpaket stimmt, dass Kinder bereichert aus der gemeinsamen Zeit weitergehen, dass sie sich begeistern, sich entwickeln und lernen können. Diese Gesamtpakete können völlig unterschiedlich geschnürt sein und haben gerade dadurch ihren Wert. Insgesamt muss es gut sein.
Im Nachhinein empfinde ich meinen Werdegang als Entwicklung dahin, heute in jedem Kind das volle Potenzial sehen zu können . Auch ich bin in einer
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