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Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Was wir unseren Kindern in der Schule antun

Titel: Was wir unseren Kindern in der Schule antun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sanbine Czerny
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„Ich bin ja sowieso doof“ nur als Gejammer aufgefallen, nun schienen sie mir Bände zu sprechen. Wenn es tatsächlich so war, dass diese Überzeugungen so kraftvoll wirkten, vielleicht lag es dann an diesen Überzeugungen, wenn Kinder zu einer Leistung nicht fähig waren? Ich hatte sowieso nie verstanden, warum ein Kind nicht „22 + 7“ rechnen können soll. Und doch begegneten mir solche Kinder immer wieder. Man konnte ihnen teilweise selbst einfache Aufgaben zigmal erklären, ohne Erfolg. Vielleicht lebte in ihnen also tatsächlich eine vielleicht sogar sehr tief sitzende, unbewusste Überzeugung,
sozusagen ein für sie ehernes Gesetz, das besagte: „Ich kann das einfach nicht!“?
    Wie kamen sie zu solchen Überzeugungen? Und was konnte man gegen diese Hemmnisse tun? Denn begünstigende Überzeugungen gibt es ja durchaus auch, so zum Beispiel bei Peter, der der festen Meinung ist, ein toller Torjäger zu sein, und das auch nicht sofort infrage stellt, wenn er zweimal danebenschießt. Als ich weiter darüber nachdachte, wurde mir bewusst, wie stark eine gewonnene Überzeugung das weitere Verhalten beeinflusst. Paolo ist der Überzeugung, dass er diese schwierige Aufgabe schon irgendwann lösen wird, Julie hält sich für zu dumm. Paolo beginnt und bleibt an der Aufgabe dran, Julie liest sie sich nicht einmal durch und starrt wie gelähmt vor sich hin. Sie braucht viel Zuspruch, und die Zeit, die sie zum Lösen der Aufgabe nach mehreren Ermunterungen noch hat, würde auch Paolo nicht reichen. Das Resultat: Die Aufgabe ist nicht zu schaffen — Julies Überzeugung hat sich einmal mehr bestätigt und umso unumstößlicher wird sie. Wie entsteht so etwas? Warum ist das eine Kind so, das andere so?
    Ãœberzeugungen bilden sich aus Erfahrungen. Also, so schloss ich daraus für mich, sollte man vermeiden, dass Kinder die Erfahrung machen, etwas nicht zu können. Stattdessen sollte man ihnen Erfahrungen ermöglichen, die ihnen die Bestätigung vermitteln, zu etwas fähig zu sein. Nicht nur im Kognitiven, sondern beispielsweise auch im Sozialen. Plötzlich wird sogar der Gedanke hinter einer Handlung wichtig. Was bedeutet es denn, wenn ich einem Kind sage: „Du brauchst Hilfe! Du musst in den Förderunterricht gehen.“ Vordergründig ist es ein entgegenkommendes Angebot, erst auf den zweiten Blick wird klar, dass ich eigentlich aussage: „Du kannst es nicht allein. Ich mache mir Sorgen — ich glaube, du schaffst es nicht.“ Das Beste, was man Kindern entgegenbringen kann, ist das Selbstverständnis, dass etwas klappen wird. Wenn nicht heute, dann morgen. Aus einem „Ich kann das nicht“ wird ein „Ich kann das noch nicht“ oder ein „Ich werde es bald können” und schließlich ein „Mit jedem Tag kann ich es besser.“ Es gilt hier für mich, meine eigenen Gedanken und Worte ganz genau zu
prüfen: Wo begrenze ich mich und gleichzeitig dieses Kind dadurch, dass ich ihm nicht sein volles Potenzial zutraue oder nicht zumindest zeige, dass ich Veränderungen für möglich halte, die sein ganzes Können offensichtlich machen?
    Faszinierend von Anfang an: unser Gehirn
    Wenn man die Theorie von den Spiegelneuronen kennt (siehe Informationskapitel „Gehirn” ab Seite 190), bekommt alles noch eine weitere Bedeutung: Gedanken, Haltungen und Einstellungen eines Gegenübers werden von einem Menschen mithilfe der Spiegelneurone wahrgenommen. Das bedeutet, dass ich in erster Linie auf meine Gedanken achten muss — traue ich einem Kind etwas nicht zu, nimmt es das unbewusst wahr und blockiert. Sehe ich jedoch in ihm volles Potenzial, ermögliche ich es ihm vielleicht gerade dadurch, es auch zu nutzen. Meine Erwartungshaltung hat einen ganz entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung eines Kindes. Es macht daher auch einen gravierenden Unterschied für das Arbeiten mit der Klasse, ob ich überzeugt bin, dass alle Kinder gut lernen können, oder ob ich davon ausgehe, dass ich nur ein paar wenige intelligente Kinder in der Klasse habe und ansonsten Kinder, denen das Lernen und Denken schwerfällt.
    Ein weiteres Mal änderte sich mein Unterricht maßgeblich. Alles, was ich tat, prüfte ich vorab unter dem Gesichtspunkt, welche tiefen Überzeugungen Kinder dadurch über sich erhalten könnten. Gelingt es, dass alle Kinder positive

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