Was wirklich zählt, ist das gelebte Leben: Die Kraft des Lebensrückblicks (German Edition)
fühlt, ohne dass man bedeutsam sein muss. Unser Selbstwertgefühl ist ausgewogen. Dieses selbstverständliche Selbstvertrauen, das wir als Menschen im Zustand der Freude erleben, lässt uns offen sein für andere und die Welt. Wir betrachten andere Menschen mit freundlichen, akzeptierenden Augen. Wir können dann auch etwas hergeben, gönnend sein: Wir müssen unsere Ich-Grenzen nicht stur behaupten, wir können sie öffnen. In der Freude sind wir nicht misstrauisch, manchmal dafür naiv. Wir erwarten in der Tat nichts Böses. Tritt das Böse dann doch ein, dann fühlen wir uns sehr verletzt. Man kann sich zwar schützen vor diesen Verletzungen, indem man die Freude nicht mehr zulässt. Das aber ist ein teurer Schutz.
Selbstverständliches Selbstvertrauen, Bedeutsamkeit, auf der man nicht beharren muss, Offenheit und die Möglichkeit des Sich-Öffnens: Dies alles ergibt ein Selbstgefühl der Vitalität und der Kompetenz, mit dem Leben umgehen zu können. Wir spüren neue Lebensenergie. Daraus resultiert, dass wir den Menschen nahe sein möchten, dass wir teilen möchten, dass wir den Mut finden, miteinander Lösungen zu erproben. Freude ist die grundlegende Emotion für Verbundenheit und Solidarität. Das Erleben von Freude, das Erinnern von Freude ist eine zentrale Ressource auch in schwierigen Zeiten – und für den Lebensrückblick.
Fast alles, was es gibt auf der Welt, kann auch Freude auslösen. Dabei ist zu beachten, dass es vor allem die kleinen Freuden sind, die uns den Alltag entscheidend verschönern und beleben können.
Bei einer Befragung stellte sich heraus, dass, statistisch gesehen, je nach Geschlecht und Alter andere Freuden dominierten.
Männer zwischen 30 und 40 erwähnten an erster Stelle die Freude an Leistung und Kompetenz. Die gleichaltrigen Frauen stellten an die erste Stelle die Freude an Erfahrungen in Beziehungen, besonders die Freude daran, bei anderen Menschen Freude ausgelöst zu haben. Bei Frauen steht die Freude an der Kompetenz und an der Leistung an zweiter Stelle, bei Männern die Freude an der Freude anderer Menschen an dritter Stelle. Freude wird weiter erlebt im Zusammenhang mit Essen, Trinken und Sexualität.
Arbeit, die herausfordert, aber nicht überfordert, löst dann, wenn man sich so richtig in sie vertiefen kann, bei Jung und Alt eine stille Freude aus. Auch das »Finden« ganz allgemein, geht es nun um das Erfinden von etwas oder um das Finden eines besonders günstigen Angebots, löst viel Freude aus und scheint weder geschlechts- noch altersabhängig zu sein. Dies gilt auch für Situationen, in denen man Geschenke macht und Geschenke bekommt, besonders dann, wenn es unerwartet geschieht. Damit in engem Zusammenhang steht die Freude am Wachsen und Werden von Menschen, von Ideen, von Zusammenarbeit usw. Das Erleben von Freude hat deutlich etwas damit zu tun, dass wir »mehr« bekommen oder erleben, als eigentlich vorauszusehen war. Für ältere Befragte stand die Freude an der Natur, am Wachsen, am Grünen, die Freude an der Kultur, an Schönheit, die Freude am Austausch mit anderen Menschen im Vordergrund. Auch die Abwesenheit von Schmerz, nachdem dieser lange dominiert hat, kann als Freude erlebt werden.
Es geht also darum, bei sich selbst im Leben herauszufinden, wo und wann wir am meisten Freude empfinden können oder auch empfunden haben.
Dies ist möglich, indem wir den freudigen Situationen in unserem Leben nachspüren und sie in der Erinnerung imaginativ nacherleben, auch die aktuellen Freuden:
Als aktuelle Freude beschreibt eine 80-Jährige, wie sie im Wald auf weichem Moos geht, wie sich das anfühlt an den Füßen, wie sie das beschwingt. Als weitere Freude das Gefühl, das sich bei ihr einstellt, wenn sie einen Säugling auf dem Arm hält.
Ein 72-Jähriger freut sich auf einen Opernbesuch und malt sich diesen schon deutlich in der Vorstellung aus – bis hin, dass er »weiß«, wie der Dirigent zu dirigieren hat.
Ein anderer 72-Jähriger kopiert Filme, schneidet sie zusammen und wird damit seine Kinder überraschen. Bereits jetzt freut er sich auf die Freude, die seine Kinder haben werden – übrigens eine verbreitete Freude: die Freude an der Freude, die wir anderen Menschen machen.
Ein 84-Jähriger erzählt, dass er sehr geschickt mit den Händen war. Vor allem Probleme mit Wasserrohren konnte er gut beheben. Strahlend erzählt er, dass er es immer noch könne und er gerade kürzlich einer Nachbarin aus einer großen Verlegenheit geholfen
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