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Washington Square

Washington Square

Titel: Washington Square Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry James
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dessen so sicher sind.«
    »Das Wort eines Gentleman, daß ich nicht gewinnsüchtig bin; daß meine Zuneigung zu Miss Sloper ein so lauteres und selbstloses Gefühl ist, wie es nur jemals eine menschliche Brust erfüllt hat. Ihr Vermögen interessiert mich nicht mehr als die Asche dort im Kamin.«
    »Ich nehme es zur Kenntnis – ich nehme es zur Kenntnis«, sagte der Doktor. »Aber nachdem ich das getan |98| habe, komme ich auf unsere Kategorie zurück. Selbst mit diesem feierlichen Gelöbnis auf den Lippen nehmen Sie Ihren Platz darin ein. Es spricht nichts weiter gegen Sie als ein Unglücksfall, wenn Sie so wollen; aber in meiner dreißigjährigen ärztlichen Praxis habe ich festgestellt, daß Unfälle weitreichende Folgen haben können.«
    Morris strich seinen Hut glatt – der bereits bemerkenswert spiegelblank war – und legte weiterhin eine Selbstbeherrschung an den Tag, die dem Doktor, wie er zugeben mußte, höchst beachtlich erschien. Doch Morris’ Enttäuschung war offensichtlich erheblich.
    »Kann ich denn gar nichts tun, um Ihr Vertrauen zu gewinnen?«
    »Wenn es etwas gäbe, würde ich nur ungern die Anregung dazu geben, weil – begreifen Sie denn das nicht? – weil ich Ihnen gar nicht vertrauen will«, sagte der Doktor lächelnd.
    »Ich würde mich sogar aufmachen und auf den Feldern arbeiten.«
    »Das wäre töricht.«
    »Ich nehme die erste beste Arbeit an, die sich mir morgen bietet.«
    »Tun Sie das auf jeden Fall – aber um Ihretwillen, nicht meinetwegen.«
    »Ich verstehe; Sie denken, ich sei ein Müßiggänger!« rief Morris aus, etwas zu sehr im Ton eines Mannes, der eben eine Entdeckung gemacht hat. Doch er bemerkte augenblicklich seinen Fehler und wurde rot.
    »Es spielt keine Rolle, was ich denke, nachdem ich Ihnen einmal gesagt habe, daß ich an Sie nicht als Schwiegersohn denke.«
    Aber Morris beharrte: »Sie glauben, ich würde Ihr Geld vergeuden?«
    |99| Der Doktor lächelte. »Es spielt, wie gesagt, keine Rolle; aber ich bekenne mich dessen schuldig.«
    »Vermutlich, weil ich mein eigenes durchgebracht habe«, sagte Morris. »Ich gestehe das ganz offen. Ich war ausgelassen; ich war töricht. Ich erzähle Ihnen gern jede Verrücktheit, die ich begangen habe, wenn Sie wollen. Es sind einige gewaltige Narrheiten darunter – ich habe das niemals verhehlt. Aber ich habe mir die Hörner abgestoßen. Gibt es nicht so ein Sprichwort über einen bekehrten Wüstling? Ich war kein Wüstling, aber ich versichere Ihnen, ich habe mich geändert. Es ist besser, wenn man sich eine Weile amüsiert und es damit dann abgetan ist. Ihre Tochter würde niemals einen Schwächling mögen; und ich nehme mir die Freiheit zu sagen, Sie würden genausowenig einen mögen. Abgesehen davon ist zwischen meinem Geld und dem ihren ein beträchtlicher Unterschied. Ich habe mein eigenes vertan, und zwar, weil es mein eigenes war. Und ich habe keine Schulden gemacht. Als es dahin war, habe ich aufgehört. Ich bin auf der ganzen Welt keinen Pfennig schuldig.«
    »Gestatten Sie mir die Frage, wovon Sie jetzt leben – obgleich ich zugebe«, fügte der Doktor an, »daß diese Frage inkonsequent ist.«
    »Ich lebe von den Resten meines Vermögens«, sagte Morris Townsend.
    »Danke«, entgegnete der Doktor bedeutungsvoll.
    Ja wahrhaftig, Morris’ Selbstbeherrschung war löblich. »Selbst angenommen, ich würde Miss Slopers Vermögen eine ungerechtfertigte Bedeutung beimessen«, fuhr er fort, »wäre nicht gerade das eine Sicherheit dafür, daß ich besonders darauf achten würde?«
    »Wenn Sie zu sehr darauf achten würden, wäre das genauso schlimm, als wenn Sie es zu wenig täten. Catherine |100| könnte unter Ihrer Sparsamkeit ebensoviel zu leiden haben wie unter Ihrer Verschwendungssucht.«
    »Ich finde, Sie sind sehr ungerecht!« Der junge Mann machte diese Erklärung zurückhaltend, höflich, ohne Heftigkeit.
    »Es ist Ihr gutes Recht, so zu denken, und ich lege meinen guten Ruf in Ihre Hände! Ich schmeichle mir gewiß nicht, Ihnen Freude zu bereiten.«
    »Möchten Sie nicht Ihrer Tochter ein wenig Freude bereiten? Haben Sie denn Vergnügen an dem Gedanken, sie unglücklich zu machen?«
    »Ich finde mich durchaus damit ab, daß sie mich ein Jahr lang für einen Despoten hält.«
    »Ein Jahr lang!« rief Morris auflachend.
    »Dann also auf Lebenszeit. Sie kann ebenso unglücklich sein auf die eine Art wie die andere.«
    Jetzt verlor Morris schließlich die Nerven. »Oh, Sie sind nicht höflich, mein Herr!« rief

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