Washington Square
übermitteln.«
»Auch nicht ein
Wort
?« fragte seine Gesprächspartnerin, wobei sich ihr zweideutiges Lächeln wieder einstellte.
|129| Morris runzelte erneut die Stirn. »Sagen Sie ihr, sie soll durchhalten«, sagte er ziemlich kurz angebunden.
»Das ist ein gutes Wort – ein hochherziges Wort: Es wird sie für viele Tage glücklich machen. Sie ist nämlich rührend und so tapfer«, fuhr Mrs. Penniman fort, indem sie ihren Umhang zurechtzog und sich zum Aufbruch rüstete. Während sie damit beschäftigt war, kam ihr eine Erleuchtung; sie fand die Wendung, die sie kühn als Rechtfertigung für den Schritt, den sie unternommen hatte, anbieten konnte. »Wenn Sie Catherine auf jede Gefahr hin heiraten«, sagte sie, »liefern Sie meinem Bruder einen Beweis dafür, daß Sie das sind, was er zu bezweifeln vorschützt.«
»Was er zu bezweifeln vorschützt?«
»Wissen Sie denn nicht, was das ist?« fragte Mrs. Penniman fast neckisch.
»Es ist mir völlig gleichgültig«, sagte er großartig.
»Selbstverständlich macht es Sie ärgerlich.«
»Ich verachte es«, erklärte Morris.
»Ach, dann wissen Sie ja doch, was es ist?« sagte Mrs. Penniman und drohte ihm mit dem Finger. »Er gibt vor, Sie liebten – Sie liebten das Geld.«
Morris zögerte einen Augenblick und sagte dann, als spreche er wohlüberlegt: »Ich
liebe
das Geld auch!«
»Ach, aber nicht – nicht so, wie er es meint. Sie lieben es doch nicht mehr als Catherine?«
Er stützte die Ellbogen auf den Tisch und vergrub den Kopf in die Hände. »Sie peinigen mich!« murmelte er. Und das war in der Tat fast die Wirkung des allzu lästigen Interesses der armen Dame an seiner Lage.
Doch sie bestand darauf, ihren Standpunkt klarzumachen. »Wenn Sie trotz ihm Catherine heiraten, wird er es als erwiesen ansehen, daß Sie nichts von ihm erwarten |130| und bereit sind, ohne das auszukommen; und so wird er einsehen, daß Sie uneigennützig sind.«
Morris hob den Kopf ein wenig und ging diesem Argument nach. »Und was gewinne ich dabei?«
»Nun, daß er einsieht, sich geirrt zu haben, als er meinte, Sie wären auf sein Geld aus.«
»Und wenn er sieht, daß ich ihn mit seinem Geld zum Teufel wünsche, wird er es einem Krankenhaus hinterlassen. Meinen Sie das?« fragte Morris.
»Nein, das meine ich nicht, obgleich das sehr großmütig wäre«, setzte Mrs. Penniman eilends hinzu. »Ich meine, wenn er Ihnen solch ein Unrecht angetan hat, wird er es letzten Endes für seine Pflicht halten, es wiedergutzumachen.«
Morris schüttelte den Kopf, obwohl zugegeben werden muß, daß er von dieser Idee nicht ganz unbeeindruckt war. »Glauben Sie, daß er so viel Gefühl hat?«
»Viel Gefühl hat er nicht«, sagte Mrs. Penniman, »aber um ihm gegenüber völlig gerecht zu sein, ich glaube, daß er bei der ihm eigenen engherzigen Art doch ein gewisses Pflichtbewußtsein hat.«
Da ging Morris Townsend blitzartig die Frage durch den Sinn, was ihm selbst unter dem Gesichtspunkt in ferner Zukunft liegender Unsicherheit, von der Auswirkung dieses Grundsatzes in Dr. Slopers Brust, denn geschuldet würde, und diese Überlegung verlor sich in seinem Sinn fürs Lächerliche.
»Ihr Bruder hat keine Verpflichtungen mir gegenüber«, sagte er unverzüglich, »und ich keine ihm gegenüber.«
»Oh, aber Catherine gegenüber hat er Verpflichtungen.«
»Ja, aber sehen Sie, nach diesem Grundsatz hat Catherine auch Verpflichtungen ihm gegenüber.«
|131| Mrs. Penniman erhob sich mit einem betrübten Seufzer, als hielte sie ihn für reichlich phantasielos.
»Die hat sie immer getreulich erfüllt; und glauben Sie denn, sie habe keine Verpflichtungen
Ihnen
gegenüber?« Mrs. Penniman setzte ihre persönlichen Fürwörter stets in Kursivdruck, selbst im Gespräch.
»So ausgedrückt würde das recht hart klingen. Ich bin so dankbar für ihre Liebe«, setzte Morris hinzu.
»Ich werde ihr erzählen, daß Sie das gesagt haben. Und nun, denken Sie daran, daß ich da bin, wenn Sie mich brauchen.« Und Mrs. Penniman, die nichts weiter zu sagen wußte, nickte unbestimmt in Richtung Washington Square.
Morris blickte eine kleine Weile auf den sandbestreuten Fußboden des Lokals; er schien geneigt, noch ein wenig zu bleiben. Schließlich sah er ziemlich unvermittelt auf und fragte: »Glauben Sie, daß er sie enterbt, wenn sie mich heiratet?«
Mrs. Penniman sah ihn ein wenig überrascht an und lächelte dann. »Nun, ich habe Ihnen doch auseinandergesetzt, was meiner Meinung nach geschehen
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