Washington Square
weiterhin nötig, Catherine«, |138| sagte Mrs. Penniman höchst feierlich. »Leider geht dir das Gefühl dafür ab, von welcher Bedeutung –« sie pausierte ein wenig; Catherine sah sie unverwandt an – »von welcher Bedeutung es ist, dieses prächtige junge Herz nicht zu enttäuschen!« Und Mrs. Penniman ging zu ihrem Platz bei der Lampe zurück, und mit einem kleinen Ruck griff sie wieder zum Abendblatt.
Catherine stand mit den Händen auf dem Rücken vor dem Feuer und sah ihre Tante an, die den Eindruck gewann, noch nie habe das Mädchen diese wahrhaft unheilvolle Starrheit in ihrem Blick gehabt. »Ich glaube nicht, daß du mich verstehst oder daß du mich kennst«, sagte Catherine.
»Wenn das zutrifft, ist es kein Wunder; du vertraust mir ja so wenig.«
Catherine unternahm keinen Versuch, diesen Vorwurf zu bestreiten, und eine Zeitlang wurde kein Wort mehr gewechselt. Doch Mrs. Pennimans Einbildungskraft ruhte und rastete nicht, und dem Abendblatt gelang es in diesem Fall nicht, sie zu fesseln.
»Wenn du der Angst vor dem Zorn deines Vaters nachgibst«, sagte sie, »weiß ich nicht, was aus uns werden soll.«
»Hat
er
dich gebeten, mir diese Dinge zu sagen?«
»Er hat mich gebeten, meinen Einfluß geltend zu machen.«
»Da mußt du dich irren«, sagte Catherine. »Er vertraut mir.«
»Ich hoffe, er wird es nie bereuen!« Und Mrs. Penniman versetzte ihrer Zeitung einen kleinen energischen Schlag. Sie wußte nicht, was sie von ihrer Nichte halten sollte, die auf einmal unnachgiebig geworden war und zu Widerspruch neigte.
|139| Dieser Zug in Catherines Verhalten trat sogleich noch stärker hervor. »Es wäre weit besser, wenn du keine weiteren Verabredungen mit Mr. Townsend treffen würdest«, sagte sie. »Ich glaube nicht, daß es recht ist.«
Mrs. Penniman erhob sich mit beträchtlicher Würde. »Mein armes Kind, bist du eifersüchtig auf mich?« fragte sie.
»Oh, Tante Lavinia!« murmelte Catherine errötend.
»Ich glaube nicht, daß es deine Sache ist, mich darüber zu belehren, was recht ist.«
In dieser Hinsicht machte Catherine kein Zugeständnis. »Es kann nicht recht sein, jemanden zu hintergehen.«
»
Dich
habe ich gewiß nicht hintergangen!«
»Ja; aber ich habe meinem Vater versprochen –«
»Ich bezweifle nicht, daß du es deinem Vater versprochen hast. Aber ich habe ihm nichts versprochen.«
Catherine mußte das zugestehen, und sie tat es schweigend. »Ich glaube nicht, daß Mr. Townsend es möchte«, sagte sie schließlich.
»Mich treffen?«
»Nicht im geheimen.«
»Es war nicht im geheimen; der Raum war voller Leute.«
»Aber es war ein geheimer Ort – weit hinten in der Bowery.«
Mrs. Penniman zuckte etwas zusammen. »Herren gefällt so etwas«, bemerkte sie unverzüglich. »Ich weiß, was Herren mögen.«
»Mein Vater würde es nicht mögen, wenn er es wüßte.«
»Bitte, hast du vor, es ihm mitzuteilen?« fragte Mrs. Penniman.
|140| »Nein, Tante Lavinia. Aber tu’ es bitte nicht wieder.«
»Wenn ich es wieder tue, wirst du es ihm mitteilen – meinst du das? Ich teile deine Angst vor meinem Bruder nicht; ich habe es immer verstanden, meinen eigenen Standpunkt zu verteidigen. Aber ich werde gewiß nie wieder einen Schritt zu deinen Gunsten unternehmen; du bist viel zu undankbar. Ich habe ja gewußt, daß du keine impulsive Natur bist, aber ich glaubte, du wärst standhaft, und ich habe deinem Vater auch gesagt, er werde dich so vorfinden. Ich bin enttäuscht, aber dein Vater wird es nicht sein.« Und damit bot Mrs. Penniman ihrer Nichte ein flüchtiges »Gute Nacht« und zog sich in ihr Gemach zurück.
|141| 18. KAPITEL
Catherine saß allein am Kaminfeuer im Salon – saß mehr als eine Stunde da, in ihre Gedanken vertieft. Ihre Tante erschien ihr aufdringlich und töricht; und das so klar zu sehen – Mrs. Penniman so genau zu beurteilen – gab ihr das Gefühl, alt und gesetzt zu sein. Sie nahm die Unterstellung von Schwäche nicht übel; das machte auf sie keinen Eindruck, da sie nicht die Empfindung von Schwäche hatte, und sie war nicht gekränkt, wenn man sie nicht schätzte. Vor ihrem Vater hatte sie grenzenlose Achtung, und sie fühlte, daß ihm zu mißfallen ein Vergehen bedeuten würde, entsprechend einer ruchlosen Handlung in einem herrlichen Tempel; doch ihr Entschluß war allmählich gereift, und sie glaubte, ihre Gebete hätten ihn von seiner Heftigkeit gereinigt. Der Abend rückte vor, und die Lampe brannte schwächer, ohne daß sie es gewahr wurde;
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