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Washington Square

Washington Square

Titel: Washington Square Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry James
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noch in die Lage kommen, auf seine Kosten sparen zu können. Ich weiß nicht, was du ihm womöglich gesagt hast oder was du ihm in Zukunft noch sagen wirst; aber du solltest wissen, wenn du ihn in dem Glauben bestärkt hast, er könne durch Ausdauer etwas erreichen oder ich sei auch nur um Haaresbreite von der Haltung abgewichen, die ich vor einem Jahr eingenommen habe, dann hast du ihm einen üblen Streich gespielt, für den er möglicherweise entsprechende Entschädigung verlangen kann. Ich bin mir nicht sicher, ob er nicht vielleicht Klage gegen dich erhebt. Selbstverständlich hast du es guten Gewissens getan; du hast dir vorgemacht, man könne mich zur Strecke bringen. Das ist das haltloseste Wahngebilde, das jemals das Gehirn einer liebenswürdigen Optimistin heimgesucht hat. Ich bin nicht im geringsten ermattet; ich bin so munter wie bei meiner Abreise; ich mache es gut noch fünfzig Jahre. Catherine scheint auch nicht um eine Handbreit nachgegeben zu haben; sie ist genauso munter wie ich; wir sind also ungefähr da, wo wir bereits zuvor waren. Aber das weißt du so gut wie ich. Was ich möchte, ist lediglich, dich über meine Gedanken in Kenntnis zu setzen. Nimm sie dir zu Herzen, liebe Lavinia. Hüte dich vor dem begründeten Groll eines getäuschten Glücksjägers!«
    »Ich kann nicht sagen, daß ich das erwartet habe«, sagte Mrs. Penniman. »Und ich hatte schon bis zu einem gewissen Grad die lächerliche Hoffnung, du würdest |210| ohne diesen widerwärtigen ironischen Ton heimkehren, in dem du mit den ehrwürdigsten Dingen umgehst.«
    »Unterschätze nur nicht die Ironie; sie ist häufig von großem Nutzen. Doch sie ist nicht immer notwendig, und ich will dir zeigen, wie bereitwillig ich sie beiseite legen kann. Ich würde gern erfahren, ob du glaubst, daß Morris Townsend beharrlich bleibt?«
    »Ich will deine Herausforderung mit deinen eigenen Waffen erwidern«, sagte Mrs. Penniman. »Am besten wartest du ab, dann wirst du schon sehen.«
    »Bezeichnest du eine solche Äußerung als eine von meinen Waffen? Ich habe niemals etwas derartig Ungeschliffenes gesagt.«
    »Also, gut, er wird lange genug beharrlich bleiben, um es dir höchst ungemütlich zu machen.«
    »Meine liebe Lavinia«, rief der Doktor, »nennst du das vielleicht Ironie? Ich nenne das eine Boxattacke.«
    Doch trotz ihrer Boxattacke war Mrs. Penniman ungeheuer verängstigt und sie überdachte ihre Besorgnisse. Ihr Bruder wandte sich mittlerweile, mit zahlreichen Vorbehalten, an Mrs. Almond um Rat, der gegenüber er nicht weniger freigebig und weitaus mitteilsamer als zu Lavinia war.
    »Ich vermute, sie hat ihn die ganze Zeit hier gehabt«, sagte er. »Ich muß einmal einen Blick auf meinen Weinbestand werfen. Du brauchst jetzt keine Hemmungen mehr zu haben, es mir zu erzählen; ich habe ihr zu der Angelegenheit bereits alles gesagt, was ich dazu feststellen wollte.«
    »Ich glaube, er war sehr häufig im Haus«, entgegnete Mrs. Almond. »Du mußt aber zugeben, daß es für Lavinia eine beträchtliche Veränderung bedeutete, von dir ganz allein zurückgelassen zu werden, und daß es ganz |211| natürlich war, wenn sie gern etwas Gesellschaft haben wollte.«
    »Ich gebe das auch zu, und darum werde ich wegen des Weins keinen Krach schlagen; ich werde ihn als Entschädigung für Lavinia betrachten. Sie ist imstande, mir zu erzählen, sie habe ihn ganz allein getrunken. Stell’ dir die unfaßliche Taktlosigkeit vor, daß dieser Kerl, unter den gegebenen Umständen, in meinem Haus macht, was er will – oder überhaupt nur einen Fuß hineinsetzt! Wenn er dadurch nicht beschrieben wird, ist er unbeschreiblich.«
    »Sein Verfahren besteht darin, sich zu nehmen, was er nur kriegen kann. Lavinia wird ihn ein Jahr über verpflegt haben«, sagte Mrs. Almond. »Soviel hat es ihm immerhin eingebracht.«
    »Dann wird sie ihn wohl bis an sein Lebensende versorgen müssen«, rief der Doktor, »aber ohne Wein, wie man an den Tables d’hôte sagt.«
    »Catherine hat mir erzählt, er habe ein Geschäft begonnen und verdiene einen Haufen Geld.«
    Der Doktor starrte sie an. »Das hat sie mir nicht gesagt – und Lavinia geruhte auch nicht, es zu erzählen. Ach!« rief er, »Catherine hat mich aufgegeben. Das ist allerdings belanglos für alles, was das Geschäft betrifft.«
    »Sie hat Mr. Townsend nicht aufgegeben«, sagte Mrs. Almond. »Ich habe das sofort in der ersten halben Minute gesehen. Sie ist sich völlig gleich geblieben.«
    »Völlig gleich: nicht

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