Wasser-Speier
ist das also«, sagte sie gri m mig.
»Ich glaube, so war das genau genommen schon immer«, warf Gary ein. »Du hast mitangesehen, wie Gayle dreitausend Jahre lang deine Arbeit getan hat, und es ist dir immer noch gleichgültig. Damit hast du bewiesen, daß du einer Seele nicht würdig bist. Also verschwinde jetzt und laß uns in Ruhe weitersuchen.«
»Ich werde erst dann verschwinden, wenn ich es will«, konterte Hanna. »Und im Augenblick will ich nun mal bleiben. Ich werde euch durch die Zukunft führen.«
»Weshalb sollten wir dir irgendwelche Aufmerksamkeit zollen?« forderte Gayle sie heraus. »Wo wir doch genau wissen, daß du uns nur behindern willst?«
»Weil ihr mich nicht ignorieren könnt«, meinte Hanna.
Die beiden Wasserspeier lachten.
Da blieb Gary das Lachen plötzlich in der Kehle stecken, als Hannas Kleid immer durchsichtiger wurde und die verwaschenen Konturen ihres Höschens preisgab. Er versuchte, die Augen zu schließen, doch die versagten ihm den Dienst. Sie hatten sich auf diese Beinahe-Vision geheftet, als wäre es das Guckloch eines Hypnokürbisses.
Kurz darauf bemerkte Gayle, daß er außer Gefecht gesetzt war. Dann wurde ihr auch klar, wodurch. Sie sprang zwischen Gary und Hanna umher und versuchte, Gary den Blick zu versperren. Das ermöglichte es ihm, zu blinzeln und ein bißchen klarer zu sehen. Er hatte geglaubt, daß ihm ein derartiger Anblick in Zukunft nicht mehr soviel würde anhaben können, mußte nun aber erkennen, daß er sich verschätzt hatte. Seine menschlichen Reaktionen waren einfach zu heftig.
Da versteifte Gayle sich plötzlich. Ihr ganzer Leib wurde so starr wie der Stein, aus dem er bestand, so daß sie plötzlich wie eine Statue wirkte. Was war mit ihr geschehen? Der Anblick menschl i cher Höschen konnte es ja wohl kaum sein, denn erstens war sie kein Mensch und zweitens weiblichen Geschlechts.
Gary mußte unbedingt feststellen, was Hanna da tat, um Gayle auszuschalten. Aber konnte er es wagen, erneut Gefahr zu laufen, außer Gefecht gesetzt zu werden? Da wurde ihm klar, daß ihm nichts anderes übrigblieb; denn schließlich war es seine Schuld, daß Gayle überhaupt hier war.
Er lugte um sie herum und erblickte das Abbild eines Wasse r teichs. Nur, daß dieser ein Loch aufwies. Tatsächlich war es ein Wasserloch.
Oh, nein! Das Loch saugte das Wasser auf und ließ es ve r schwinden. Das war ja das Schlimme daran: Das Wasser in der Umgebung versuchte das Loch zu füllen, wurde dabei aber ve r zehrt, bis nichts mehr übrig war. Für einen Wasserspeier war das ein furchtbarer Anblick; denn seine Lebensaufgabe bestand schließlich darin, anderen gutes Wasser zur Verfügung zu stellen. Wo wären denn die Wasserspeier, wenn plötzlich alles Wasser in einem Wasserloch verschwände!
Gary trat zwischen Gayle und das Wasserloch. Da er sich in Menschengestalt befand, konnte ihn die Vision nicht so stark e r schrecken wie die Wasserspeierin. Menschen ging meistens zie m lich achtlos mit Wasser um, obwohl sie es genauso brauchten wie alle anderen Lebewesen.
Gayle entspannte sich allmählich. »Ach, das ist furchtbar«, hauchte sie. »Ich kann einfach kein Wasserloch ertragen!«
»So geht’s jedem Wasserspeier«, bestätigte Gary.
Das Bild wurde unscharf. Nun erschien Hanna aufs neue, die s mal voll bekleidet. »Na?« erkundigte sie sich. »Reicht’s?«
Gary unterdrückte einen wütenden Blick. »Vielleicht sollten wir uns auf einen Waffenstillstand einigen«, schlug er vor. »Wir werden halbwegs höflich mit dir umspringen, wenn du halbwegs höflich zu uns bist.«
»Einverstanden.«
»Aber wir werden unsere Suche nach dem Philter nicht aufg e ben.«
»Selbst wenn ihr ihn finden solltet, würdet ihr nicht wissen, was ihr damit anfangen könnt«, bemerkte Hanna. »Also könnt ihr ruhig eure Reise durch die Zukunft genießen.«
»Ja, das können wir wohl«, meinte Gary, der darüber alles andere als erfreut war. Er blickte wieder aus dem Fenster und schaute auf das merkwürdige Gebäude auf dem asphaltierten Feld. »Aber wir haben uns ja gar nicht bewegt!« entfuhr es ihm erstaunt.
»Na ja, ich war eben abgelenkt«, erklärte Hanna. »Ich kann mich nicht auf allzu viele Dinge zugleich konzentrieren. Aber das wird sich ändern, sobald ich erst mal eine Seele habe.«
Gary erinnerte sich daran, wie Hanna und Desi sich stets beim Sprechen und in ihrer Belebtheit abgewechselt hatten, wenn sie zusammen waren. Er verstand das zugrunde liegende Prinzip: Hanna war
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