Wasser-Speier
Gefühl gehabt hatte, gegen das Fenster gepreßt zu werden. Dieselbe Kraft schien auch Gayle gepackt zu haben, die sich allerdings näher am Ausstiegsloch als am Fenster befunden hatte. Wäre sie in dieses Loch geglitten, sie wäre mit der vollen Wucht des Abwärtsdrucks in die Tiefe gestürzt – ein Sturz, der noch sehr viel schlimmer geendet wäre als der von der Grolltreppe.
Gary löste seine Gurte und bewegte sich mit trägen, mühsamen Schritten auf sie zu. »Ich hätte nie geglaubt, daß diese Kraft so stark sein könnte«, meinte er. – »Ich auch nicht«, erwiderte Gayle, nachdem sie die Zähne aus dem Bein gelöst hatte. Auch sie kam ganz gut mit diesem verminderten Druck zurecht. »Ich habe wir k lich Glück gehabt.«
Gary sah aus dem Fenster. Draußen schossen Sterne, Planeten und Kometen vorbei. »Wir müssen uns sehr schnell bewegen«, meinte er.
»Und wohl sehr weit reisen«, bekräftigte sie.
»Wo ist Hanna?«
»Wahrscheinlich sucht sie gerade eine der anderen Zweiergru p pen heim.«
»Dann sind wir im Augenblick also auf Autopilot geschaltet.«
»Müssen wir wohl. Schau mal, die Sterne dort draußen scheinen sich zu wiederholen.«
»Ja«, bestätigte er. »Dann haben wir jetzt vielleicht Gelegenheit zu sprechen, solange Hanna glaubt, daß uns das zusätzliche G e wicht zu schaffen macht. Wahrscheinlich weiß sie gar nicht, wie zäh und widerstandsfähig Wasserspeier in Wirklichkeit sind.«
»Sprechen?«
»Ich glaube nicht, daß deine Mißgeschicke reiner Zufall waren. Schließlich ist alles hier überwiegend Illusion, vergiß das nicht. Wie sollten wir stürzen können, wenn wir uns gar nicht in der Höhe befinden? Warum sollte diese Grolltreppe unter deinem Gewicht nachgeben, wenn sie doch nur ein Abbild war? Mit reinem Eige n gewicht kann man keine Illusion zermalmen.«
»Daran habe ich noch gar nicht gedacht«, erwiderte Gayle. »Und die Art und Weise, wie ich auf dieses Loch zugerutscht bin – aber wie sollte ein Sturz Schaden anrichten können, wenn er nur reine Illusion ist?«
»Er könnte aber Schaden anrichten – sofern die Illusion eine wir k liche Fallgrube verdeckt. Ich habe gesehen, wie Iris einem Ung e heuer den Garaus machte, indem sie es mit Hilfe einer Illusion dazu brachte, in eine Schlucht zu stürzen. Da der Philter die Illus i onen hier kontrolliert, müssen diese Fallen absichtlich gestellt worden sein.«
»Dann gibt es hier also tatsächlich eine Grube«, folgerte Gayle. »Ich habe zwar reagiert, als es so schien, als würde ich stürzen, wußte aber gleichzeitig, daß es nicht ganz echt war. Aber jetzt hege ich den Verdacht, daß es doch wirklich sein könnte.« Sie bewegte sich zur Zugangsluke im Boden und schob eine Tatze hinein. »Hier ist tatsächlich nichts.« Sie überlegte kurz. »Andererseits wu ß ten wir ja, daß hier ein Loch ist, weil wir dadurch in die Kabine eingestiegen sind. Was war dann mit der Grolltreppe, als sie unter meinem Gewicht zusammenbrach? Du bist doch anstandslos hi n übergelangt.«
»Vielleicht gibt es ja in der wirklichen Welt an dieser Stelle eine Grube, die mit leichten Brettern abgedeckt ist. Die haben dann zwar mein Gewicht ausgehalten, aber nicht deins.«
Sie nickte. »Ich glaube, du hast recht. Hanna hätte uns bestimmt nicht rein zufällig über diese Stelle geführt. Aber warum wollte der Philter dann ausgerechnet mich loswerden und nicht dich?«
»Weil er weder an deine Seele herankommt noch deine Geda n ken lesen kann. Du bietest ihm keinerlei Vorteil, könntest ihm aber gefährlich werden. Vor allem jetzt, da du nach ihm suchst, anstatt wie früher immer nur Wasser zu reinigen.«
Sie nickte erneut. »Du bist sehr klug, Gary. Aber ich muß dir auch mitteilen, daß ich nichts über den Philter weiß, was uns dabei helfen könnte, ihn aufzuspüren oder in unsere Gewalt zu bringen. Während meiner ganzen Zeit in Scharnier habe ich ihn nicht ei n mal zu Gesicht bekommen.«
»Aber er ist ziemlich schlau. Du mußt irgend etwas wissen oder können, das dich für ihn zur Gefahr macht. Selbst wenn wir hin hier nicht finden sollten, haben wir doch immerhin etwas für die Queste sehr Bedeutungsvolles in Erfahrung gebracht.«
»Vielleicht«, stimmte sie zweifelnd zu. »Ich werde jedenfalls von nun an sehr vorsichtig sein. Ich habe gar nicht gewußt, wie gefäh r lich Illusionen werden können.«
»Mir ist noch etwas anderes aufgefallen«, fuhr Gary fort. »Das hier soll doch eigentlich die Zukunft sein, wo es alle möglichen
Weitere Kostenlose Bücher