Wasser-Speier
später ve r dichtete sich der Nebel und nahm das ungefähre Aussehen von Schlamm an. »Zügle deinen Mund«, sagte Mentia. »Und nichts wiederholen. Das verwirrt ihn nur.«
Aha. »Wir geben dir keinen Purpurstein«, sagte Gary, und schon wurde der Schlamm um sie herum wieder dünner. Er wollte lieber nicht miterleben, wie der Pfiffer tief unten im Boden verwirrt wu r de.
»Oder ein grünes Paar Socken«, fügte Mentia hinzu.
Langsam erwärmte Gary sich für die Sache. »Wir geben dir nicht das Talent, Dinge aus dem Nichts herbeizuzaubern«, sagte er, als der Boden um sie herum wieder fester zu werden begann.
»Oder Stanley Dampfers Geburtstag, der zufälligerweise am vierundzwanzigsten Tee-Dember ist«, ergänzte Mentia.
So ging es immer weiter. Der Pfiffer schien es zufrieden zu sein, solange sie ihm nur versicherten, daß sie ihm nichts anderes als einen Pfifferling geben würden; denn dadurch deuteten sie an, daß er vielleicht einen solchen erhalten würde. Die Tatsache, daß es eine schier endlose Zahl von Dingen gab, die keine Pfifferlinge waren, schien dabei keine Rolle zu spielen; Intelligenz war nicht gerade die Stärke des Pfiffers. Und so erwähnte sie Schuhe und Schiffe und Siegelwachs, Kohlköpfe und Könige, Äpfel und Ideen, dazu Eicheln und Berge und Bilder von Dingen, die hier besser nicht beschrieben werden sollten. Und die ganze Zeit fuhr der Pfiffer unermüdlich durch Stock und Stein und alles andere.
Schon lange, bevor ihnen nichts mehr einfiel, was sie dem Pfiffer nicht geben wollten, trafen sie am Teich der Gehirnkoralle ein. Sie glitten durch Gesteinsschichten, als die Umgebung plötzlich au s dünnte und Gary schockhaft erkannte, daß sie sich in freier Luft befanden. Hier gab es einen flachen Höhlenboden, und dahinter befand sich ein tiefer, dunkler Höhlensee, der von einem langs a men, träge dahinströmenden Fluß gespeist wurde. Wände und Wasser leuchteten matt, so daß alles deutlich zu erkennen war. Eigentlich war es recht nett hier; doch Wasserspeier betrachteten natürlich alle Gegenden als nett, sofern dort reichlich Wasser floß.
»Jetzt müssen wir unserem Reittier geben, was wir ihm nicht ve r sprochen haben«, verkündete Mentia.
»Ja, die Zeit ist gekommen«, stimmte Gary ihr zu. »Gib ihm den Pfifferling.«
»Pffiffff!« rief der Pfiffer und kringelte sich vor aufgeregter E r wartung.
Die Dämonin krümmte sich und ahmte ihn dabei nach. »Ich? Ich hab’ keinen Pfifferling. Hast du denn keinen?«
» Pffiffff!« wiederholte die Kreatur gierig.
»Natürlich nicht! Woher sollte ich denn wissen, daß dieses Vieh ausgerechnet einen Pfifferling haben will?«
»Pffiffff!« Selbst das Felsgestein begann vor Erregung zu beben, und die Oberfläche des Teiches kräuselte sich unruhig.
»Na, da solltest du aber besser schleunigst einen besorgen«, b e merkte Mentia in einem seltenen Anfall geistiger Klarsicht, »denn Pfiffer werden reichlich ungeduldig, wenn man das Zahlungsziel nicht einhält.«
Es sah ganz so aus. »Was passiert denn, wenn der Pfiffer nicht seinen… Wasauchimmer bekommt?«
»Oh, versuch lieber nicht, das herauszufinden.« Tatsächlich peitschte die Kreatur immer heftiger um sich, und da ein Teil von ihr im Felsgestein verankert war, brachte sie damit die ganze Höhle zum Beben. Gary hatte schon mal von Erdbeben gehört und be g riff jetzt, wodurch sie ausgelöst wurden.
Aber was sollten sie tun? Sie hatten doch keinerlei Pfifferlinge zur Verfügung!
Ein Steinbrocken löste sich aus der Decke und fiel platschend ins Wasser. Risse öffneten sich im Steinfußboden. Die Wände s a hen verschwommen aus – nicht etwa, weil Garys Sehvermögen gestört gewesen wäre, sondern weil sie so heftig zitterten.
In seiner Verzweiflung hatte Gary einen Einfall. »Mentia – du bist doch eine Dämonin!« rief er.
Sie formte die Lippen zu einem Schmollmund, der so groß wu r de, daß ihr Gesicht sich ins Birnenförmige verzog. »Ist dir das schon aufgefallen?«
»Und du kannst jede beliebige Form annehmen«, fuhr er fort.
»Ich dachte, das wäre inzwischen klar.« Ihr Kopf dehnte sich aus, bis er einer Wassermelone glich, während der Rest ihres Körpers zusammenschrumpfte, bis schließlich nur noch winzige Arme und Beine aus der riesigen Frucht ragten.
»Und Sterbliche können dir nichts anhaben.«
»Körperlich nicht«, stimmte sie zu. »Geistig übrigens auch nicht. Allerdings können Sterbliche einem Dämon emotional etwas a n tun, sofern dieser dumm genug
Weitere Kostenlose Bücher