Wasser-Speier
verrückt, wie du weißt. Im Grunde bin ich gar keine schlechte Kreatur, und du bist ein interessanter Typ. Also könnte ich ja mal versuchen, dich aus deiner Verwirrung zu befreien.«
Gary traute der Sache zwar nicht; andererseits hatte er keine A l ternative anzubieten. »Na gut. Dann zeig mir, wo ich Trent finde.«
Sie hielt inne, um zu überlegen, wobei ihre Füße ganz dicht über dem Boden schwebten. »Die alten Leute erwarten dich unten im Teich der Gehirnkoralle. Deshalb müssen wir dorthin.«
»Was ist das für ein Teich?«
»Oh, du weißt nichts darüber? Ich dachte immer, ihr Wasserspe i er wüßtet alles über Wasser.«
»Wir reinigen lediglich fließendes Wasser«, antwortete Gary leicht verärgert. »Mit Teichen haben wir nichts am Hut.«
»Diesen Teich sollte man aber lieber nicht außer acht lassen. Die Gehirnkoralle ist ein sehr merkwürdiges und unbeliebtes Wesen, das alle möglichen Dinge sammelt. Lebewesen, zum Beispiel die es dann in seinem tiefen, unterirdischen Teich am Leben erhält. U n gefähr einmal alle zehn Jahre läßt sie dann ein Wesen frei, sofern es einen wirklich triftigen Grund dafür gibt. Dann kehrt dieses Wesen in genau demselben Alter zurück, in dem es ursprünglich in den Teich gelangt ist, selbst wenn es sich dort jahrhundertelang aufgehalten hat. Natürlich ist damals, im Jahre 1043, in der Zeit Ohne Magie, alles ziemlich durcheinandergeraten, wodurch einige der Gefangenen entkamen. Das war Jahrzehnte, bevor die Gehir n koralle ihre Inventur abgeschlossen hatte und genau bestimmen konnte, wer alles verschwunden war.« Mentia zuckte wie eine sich bewegende Raupe: erst der Kopf, dann die Schultern, die Brüste, der Rumpf, der Hüftbereich, die Oberschenkel, die Waden und schließlich die Füße. Wäre Gary ein Menschenmann gewesen, hä t te er dieses Bild sicherlich recht interessant gefunden. »Bis dahin war es natürlich schon ein bißchen zu spät. Trotzdem, in diesen tiefen Wassern lagert noch manch Gutes, und im Augenblick b e finden sich auch der Magier Trent und die Zauberin Iris darin.«
»Die sind im Teich? Im Schwebezustand?«
»Natürlich. Meinst du etwa, die würden lieber in der normalen Welt mitansehen, wie sie mit jedem Augenblick älter werden? Iris hat in dieser Hinsicht ohnehin schon viel zu viele Probleme.«
»Ach, ja? Was ist denn daran verkehrt, älter zu werden? Tut das nicht jeder?«
»Jeder Nichtdämon, vermute ich.« Diesmal zuckte Mentias rec h te Seite in die eine, die linke in die andere Richtung. Das fand Gary nun tatsächlich interessant. Erst recht, als ihre Augen bei der Rückkehr einander kreuzten und über ihr Ziel hinausschossen. »Aber Iris ist immerhin schon dreiundneunzig Jahre. Das ist uralt und gebrechlich für einen Durchschnittsmenschen.«
»Der Magier Trent muß doch auch schon ziemlich alt sein. Das dürfte sich dann ja ausgleichen.«
»Trent ist siebenundneunzig, um genau zu sein. Aber er wurde letztes Jahr auf etwa fünfundzwanzig verjüngt und ist nun ein a u ßerordentlich attraktives Exemplar Menschenmann. Warum sollte er sich da mit einer Frau abgeben, die körperlich das Alter einer Urgroßmutter hat?«
»Macht das denn was aus?«
»Für Menschen, ja. Der Mann kann zwar so alt sein, wie er will, aber die Frau muß jung sein, sonst ist sie nutzlos. So ist das bei den Menschen nun mal. Also wird Iris ein Verjüngungselixir ei n nehmen, um etwa siebzig Jahre ihres Alters loszuwerden; das ist ihre Belohnung dafür, daß sie dir hilft. Und danach – wer weiß, was sie dann im Schilde führt? Immerhin ist sie eine Frau, die schon recht lange nicht mehr zum Zuge gekommen ist.« Mentias Kleidung wurde für einen Augenblick undurchsichtig und offe n barte ihre beträchtlich kurvigen Außenkonturen.
Gary schüttelte den Kopf. »Du behauptest zwar, ein bißchen verrückt zu sein, Mentia, aber irgendwie scheinst du mir nicht schlimmer zu sein als die normalen Menschen.«
Das Kompliment traf die Dämonin überraschend, und so erröt e te sie gebührend. Der Inhalt ihres Schädels zerschmolz zu einer roten Flüssigkeit und strömte die Röhren ihres Halses hinab, w o bei eine hohle, durchsichtige Schale zurückblieb. Gurgelnd schoß die Flüssigkeit durch ihren Körper und sammelte sich in den F ü ßen, die daraufhin gewaltig anschwollen. Dann füllte sich ihr Kopf nach und nach wieder, als die Flüssigkeit von unten nach oben stieg, bis er wieder vollständig war und sie ihre Aktivitäten wieder aufnehmen konnte.
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