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Wasser-Speier

Wasser-Speier

Titel: Wasser-Speier Kostenlos Bücher Online Lesen
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daß die Erwachsenen nur noch sturer werden. So griff ich statt dessen nach den Keksen.
    »Vorher solltest du den Toilettenbaum dort hinten aufsuchen und dich ein bißchen frischmachen«, meinte sie, und ihre Stimme duldete keinen Widerspruch.
    »Ach so. Ja.« Also begab ich mich an den Baum und machte mich frisch. Danach nahm ich ihr den Teller ab und verputzte das Essen. Es schmeckte erstaunlich gut, nachdem ich mich erst ei n mal daran gewöhnt hatte, auch wenn ich viel lieber ein Drache n steak und etwas Schokoladenmilchkraut zu mir genommen hätte.
    In meiner naiven, kindlichen Verschlagenheit versuchte ich trotzdem, mich ein bißchen durchzumogeln. »Ich habe Durst!« rief ich. »Hast du vielleicht etwas Soda oder Bierbaumsaft da?« Ich wußte zwar, daß sie mir dies niemals gestatten würde; aber vie l leicht könnten wir uns ja wenigstens auf Milchkraut mit G e schmack einigen.
    »Nein, Hiatus«, erwiderte sie sanft. »Nur einen guten Schluck wundervolles Wasser aus dem kleinen Quell dort hinten.« Sie zei g te auf eine hübsche Erdmulde, die mir noch gar nicht aufgefallen war. Dort war ein klares Wasserfleckchen zu erkennen.
    Hm. Jetzt blieb mir nichts anderes übrig, als mich dorthin zu b e geben und etwas von dem geschmacklosen Zeug zu mir zu ne h men. Eigentlich war es nicht besonders schlimm. Ich hatte gar nicht gewußt, daß richtig frisches Wasser den Durst so gut stillen konnte.
    Ich rülpste kräftig und kehrte schließlich zu Desiree zurück, den feuchten Mund am Ärmel abtrocknend. »Ich schätze, ich sollte jetzt wohl besser gehen«, meinte ich. »Wo ist denn dieser Weg?«
    Sie runzelte die Stirn. »Es gibt vielleicht eine etwas höflichere Art, jemanden um einen Gefallen zu bitten«, bemerkte sie, schei n bar an niemanden im besonderen gewandt.
    Mir wurde klar, daß sie mir damit irgend etwas mitteilen wollte. »Hä?«
    Sie rührte sich kurz. »Sagst du denn nie ›bitte‹?«
    Ach so, das schon wieder! Also unterwarf ich mich dem Erwac h senenprotokoll. »Zeig mir doch bitte, wo der Weg ist«, sagte ich.
    Sie lächelte so, als wäre es ein aufrichtiges Lächeln. Das können Erwachsene sehr gut. »Aber gern. Genau dort entlang.« Sie machte eine Geste.
    Ich spähte in die angezeigte Richtung, konnte aber nur ein D i ckicht ausmachen. »Wo denn?«
    Sie blieb stumm, und nach einiger Zeit wurde mir klar, daß ich dies als Andeutung verstehen durfte, an meiner Formulierung e t was zu verbessern. In solchen Dingen waren Erwachsene immer ziemlich seltsam. »Ich meine, zeig mir doch bitte ein bißchen deu t licher, wo der Weg sich befindet, Frau Dryade.«
    Sie lächelte wieder und drehte sich erneut zu mir um. In diesem Augenblick wurde mir klar, daß sie kein bißchen größer war als ich und wahrscheinlich weniger wog, obwohl ich nur ein Junge und sie eine erwachsene Frau war. Das überraschte mich ein wenig, weil Erwachsene ja schon von der Definition her eigentlich immer gr ö ßer sind als Kinder. »Der Weg liegt hinter Laubwerk versteckt, wie die meisten Privatwege. Wenn du direkt zwischen diesen beiden Lorbeersträuchern da hinten hindurchgehst, wirst du ihn finden. Und wenn du ihn erst mal betreten hast, kannst du ihn auch deu t licher erkennen. Aber achte stets darauf, ihn niemals zu verlassen, bevor du nicht dein heimisches Schloß vor Augen hast. Denn s o bald du das tust, wirst du den Weg nicht wieder betreten können.«
    »Oh, ein unsichtbarer Weg!« rief ich entzückt.
    »Gewissermaßen«, stimmte sie mir zu. Sie schien irgend etwas daran erheiternd zu finden. »Wir verstehen es allerdings lieber so, daß der Weg nur für jene sichtbar ist, die die Natur zu würdigen wissen.«
    Ich wollte schon mit meinem Protest loslegen, daß ich die Natur sehr wohl zu würdigen wüßte, als mir einfiel, daß sie mit ihrer B e merkung wahrscheinlich nur langweiliges Gemüse, farbloses Wa s ser und so etwas gemeint hatte. »Danke«, sagte ich statt dessen in einem leicht zweifelnden Tonfall, denn dort hinten sah es ja nun wirklich nicht nach irgendeinem Weg aus.
    »Vielleicht sollte ich dich lieber hinführen«, schlug Desiree vor.
    »Oh, ja, gern!« willigte ich sofort ein.
    Sie begab sich in die angezeigte Richtung, und ich folgte ihr. Ich staunte über ihre Winzigkeit, denn davon abgesehen hatte sie durchaus den geschmeidigen Gang einer erwachsenen Frau. E r wachsene wirken nämlich immer so, als wären ihre Knochen i r gendwie dehnungsfreundlicher.
    Als wir die beiden Lorbeersträucher erreichten,

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