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Wasser-Speier

Wasser-Speier

Titel: Wasser-Speier Kostenlos Bücher Online Lesen
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daran erinnert zu werden.
    Ich verließ den Weg und ging zum Schloß hinüber. Plötzlich fiel mir ein, mir die genaue Lage des Weges einzuprägen, damit ich ihm eines späteren Tages wieder folgen konnte. Doch ich fand ihn nicht mehr, obwohl ich ihn mehrmals vor und zurück überquert haben muß. Der Weg war verschwunden, genau wie die Dryade. So blieb mir nichts anderes übrig, als ins Schloß zurückzukehren und aus dem Rest meines Lebens das Beste zu machen.
    Am nächsten Tag suchte ich noch einmal nach dem Weg; ich probierte es damit, meine eigenen Fußstapfen zurückzuverfolgen, doch ohne jeden Erfolg. Ich begriff, wie töricht es war, etwas M a gisches suchen zu wollen – denn ohne die Hilfe einer magischen Kreatur durfte kein Sterblicher darauf hoffen, derlei wiederzufi n den. Trotzdem gab ich nicht auf. Tag um Tag suchte ich, bis schließlich auch mein Herz begriff, was mein Verstand schon lange erfaßt hatte. Traurig stellte ich meine Bemühungen ein. Und noch eine ganze Weile schlief ich Abend für Abend weinend ein.
    Ich weiß nicht, weshalb ich nicht auf den Gedanken kam, den Baum der Dryade zu suchen. Ich hätte ja einfach nur denselben Weg nehmen können, dem ich ursprünglich gefolgt war. Vielleicht lag ein Zauber auf mir, der bewirkte, daß ich das Offensichtlichste einfach übersah. Doch möglicherweise wäre auch das nicht mac h bar gewesen; denn als ich von zu Hause weglief, hatte ich nicht auf Einzelheiten geachtet; schließlich hatte Doofus Drache mich ja ziellos weiterbefördert. Der hatte anschließend zwar nach Hause zurückgefunden, war aber viel zu dumm, um irgend etwas anderes zu suchen. Es wäre durchaus wahrscheinlich gewesen, daß er mich in die genau entgegengesetzte Richtung gebracht hätte, wenn ich es noch einmal mit ihm versucht hätte – und dabei wäre ich nicht einmal in der Lage gewesen, den Unterschied zu bemerken.
    So blieb ich in meinem Kummer zu Hause und erzählte niema n dem davon, nicht einmal meiner Zwillingsschwester Lacuna. Denn wer würde mich schon verstehen? Ich verstand es ja selbst nicht. Ich wußte nur, daß ich Desiree unbedingt wiedersehen wollte. W a rum, wußte ich nicht, und ich hätte nicht gewußt, was ich zu ihr sagen sollte; ich wollte einfach nur bei ihr sein, auch wenn sie mich weiterhin mit Gesundkost abgefüttert hätte. Offengestanden machte ich die Feststellung, daß mir das Zeug plötzlich zu munden begann; ebenso das reine Quellwasser, vor allem, wenn es aus gr ü nen, grasüberwachsenen Teichen entsprang. Und die Vorliebe für Eichelbäume in Herbstfarben hatte ich inzwischen auch entw i ckelt.
    Desiree war schließlich eine Dryade, eine Baumnymphe. Sie glich den Dingen des Waldes, und gewiß veränderte ihr Haar seine Fa r be im Einklang mit den Jahreszeiten. Natürlich hatte ich vorher schon von Dryaden gewußt, doch erst jetzt machte ich mir etwas aus ihnen. Man könnte sich natürlich fragen, weshalb ich nicht einfach irgendeine andere Dryade aufsuchte; doch die Antwort darauf lautet, daß nicht in jedem Baum eine Dryade wohnt, ja, sie sind vergleichsweise selten. Außerdem wollte ich nur mit dieser einen, besonderen Dryade Zusammensein, und keiner anderen.
    Ich war schrecklich verliebt, war aber noch zu jung, um dies zu erkennen. Desiree hatte mich fasziniert, hatte mir ihre Schönheit offenbart, und nun war es mein Schicksal, mich für den Rest me i nes Lebens an sie zu erinnern, so wie sie es verkündet hatte.
    Die Zeit verging, und ich wuchs zum Mann heran. Genau wie ich es erwartet hatte, wurde ich ein schmuckes Mannsbild, und die Mädchen rissen sich nur so um mich. Doch bei der Erinnerung an das Mädchen im Wald blieben sie für mich allesamt uninteressant. Keine von ihnen hätte es auch nur annähernd mit Desiree au f nehmen können. Keine von ihnen besaß diese wilde Schönheit, die nur ich zu schauen vermochte. Es war, als würde das Gesicht der Dryade sich auf das Gesicht jedes Mädchens legen, das ich erblic k te, als Maßstab der Vollkommenheit, der kein sterbliches Antlitz je erreichen konnte. Dasselbe galt für die Körper der Mädchen. Sie wirkten allesamt plump und unvollkommen, wie Skulpturen eines unbegabten Bildhauers. Sie stießen mich ab. Und obwohl ich gern eine Ehe geschlossen hätte, konnte ich es einfach nicht; ja, ich verspürte nicht einmal das Verlangen, ein gewöhnliches Mädchen auch nur zu berühren.
    Je mehr Zeit verging, desto besorgter wurden meine Mutter und meine Schwester. Meine Mutter versuchte, ihre

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