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Wasser-Speier

Wasser-Speier

Titel: Wasser-Speier Kostenlos Bücher Online Lesen
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aufzunehmen. Erst wenn man sie schräg kippt oder schüttelt, kommt das Wasser als Regen herunter. Außerdem befinden wir uns hier im Reich des Wah n sinns, was sich vermutlich auch auswirken dürfte.« Iris griff nach der Wolke und bekam sie mit der freien Hand zu packen. Dann stellte sie sich die Lampe auf den Kopf, um beide Hände frei zu haben. Eine große Schwade aus Wolkennebel löste sich und verblieb in ihren Armen. »Ja, das ist genau das Richtige. Hilf mir, genug davon zu sammeln, Gary.«
    Gary streckte seine Menschenhände aus und berührte die Wolke. Sie fühlte sich wie flauschige Baumwolle an. Er riß daran, und ein beinahe gewichtsloser Brocken löste sich von der Hauptmasse.
    Er folgte Iris zurück zum Mauernußbaum. »Ich werde mein Stück auf den Boden legen, dann benutzen wir deins als Abd e ckung«, entschied sie. »Loslassen dürfen wir das Zeug allerdings nicht, sonst schwebt es davon.«
    »Das hier hab’ ich für dich mitgebracht«, sagte er. »Dann gehe ich jetzt und hol’ mir selbst welches.«
    »Sei nicht albern. In der Dunkelheit verläufst du dich doch bloß. Wir werden sie uns teilen.«
    »Aber was ist mit Hiatus und Mentia? Frieren die nicht auch?«
    »Ich glaube nicht«, sagte sie. Sie hob die Lampe, und in ihrem Licht sah Gary, daß Hiatus inzwischen bequem auf einem Fede r bett unter Überraschung lag, die immer noch im Schlaf schwebte.
    »Wo kommt das denn her?« fragte er. »Und wo ist Mentia?«
    Das Bett bildete an der Seite einen Mund aus. »Werd nicht a l bern, Wasserspeier«, sagte es.
    Er begriff, daß die Dämonin die Gestalt eines Bettes angeno m men hatte. Trotzdem blieb da immer noch eine Frage: »Wenn de i ne Magie doch von der Magie hier beeinträchtigt wird, wie hast du das dann fertiggebracht?«
    »Indem ich versucht habe, mich in einen Betonblock zu verwa n deln«, erklärte das Bett. »Man kann den Wahnsinn durchaus ste u ern, wenn man ihn erst einmal begriffen hat – und ich, die ich o h nehin ein bißchen wahnsinnig bin, habe da keine großen Probl e me, eine Beziehung zu ihm herzustellen, obwohl ich dabei leider unbehaglich vernünftig bleibe.«
    Also nahm Gary auf der Bodenwolke Platz. Es war ziemlich b e quem. Er streckte sich aus, und es war himmlisch weich, ohne daß er dabei jedoch den Boden berührt hätte. Der Wolkenstoff hatte noch ein wenig von der Tageswärme gespeichert, und Gary be g riff, daß er für diese Zwecke wahrscheinlich viel geeigneter war als jede Decke es hätte sein können.
    Iris nahm neben ihm Platz und deckte beide mit dem zweiten Nebelstück zu. Ihr Körper war ebenfalls warm und weich und ganz nahe. »Aber…«, begann Gary.
    »Ach ja, stimmt… Ich habe das Licht angelassen«, sagte sie. Die Lampe verschwand und ließ sie im Dunkeln zurück. »Gemütlich genug?«
    »Aber… du hast ja gar nichts an, glaube ich.«
    »Es besteht keine Notwendigkeit, in der Dunkelheit noch Illus i onskleider zu tragen«, erwiderte sie. »Ich werde mir am Morgen neue Illusionskleidung machen und aus den Überresten dieser Wolke vielleicht eine neue Bluse anfertigen.«
    »Aber dein Körper ist so nah an meinem.«
    »Ja, stimmt«, sagte sie, als wäre sie selbst davon überrascht. »Laß mich aber bitte darauf hinweisen, daß ich keiner Illusionen mehr bedarf, um meine uralten Knochen jung erscheinen zu lassen. Ich bin jetzt körperlich dreiundzwanzig Jahre alt, was in etwa deinem menschlichen Alter entsprechen dürfte. Ich finde, wir passen ganz gut zusammen.«
    »Zusammenpassen? Wozu denn?«
    »Na ja, wir könnten ja vielleicht mal mit einem Kuß aufs Ohr a n fangen«, sagte sie und ließ den Worten Taten folgen.
    Gary war so überrascht, daß er glatt von der Wolkendecke rutschte und auf dem kalten harten Boden aufschlug.
    »Ach, komm schon«, sagte Iris und zerrte ihn zwischen die D e cken zurück. Dabei kam ihm ihr Körper noch näher als zuvor.
    »Was hast du vor?« wollte er wissen.
    »Ist das nicht offensichtlich? Ich versuche, dich zu verführen.«
    Gary staunte. »Mich… was?«
    Sie lachte. »Hast du denn gar kein Interesse?«
    »Nein. Ich begreife das alles nicht.«
    Es folgte eine Pause von etwa zweieinhalb Momenten. »Ich bin so lange so alt gewesen, daß es mir eine echte Erleichterung ist, körperlich wieder jung zu sein«, meinte sie schließlich. »Aber was nützt die Jugend, wenn man nicht auch ihr Potential nutzen kann?«
    »Das weiß ich nicht. Was ist denn das Potential der Jugend?«
    Wieder eine Pause, diesmal nicht ganz so lang.

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