Wasser-Speier
kein Wohngebäude«, meinte sie. »Das war ein Aussichtsturm. Der müßte die Stadt e i gentlich gut und deutlich gesehen haben.«
Gary stimmte ihr zu. Sie bauten das Gerüst wieder auf und b e stiegen einmal mehr die Plattform. Nun untersuchte Gary die stumpfe Spitze des Turmes.
»Oh!« flüsterte er beeindruckt.
»Erzähl es mir!« drängte Iris. »Laß mich es zum Leben erw e cken.«
Ihr Illusionsbildschirm erschien, bereit, auf Garys Worte und Reaktionen zu antworten.
Gary begann zu sprechen. »Ich sehe eine Stadt, die im Bau b e findlich ist – so riesig, daß sie die ganze Ebene innerhalb des H ü gelkettenrings bedeckt, und so neu, daß sie im Sonnenlicht noch strahlt; so prunkvoll, wie Xanth es seitdem nie wieder gesehen hat. Es ist, als wäre jedes Gebäude ein Palast für sich. Auf den fernen Hügeln befinden sich Burgen, die mit Mauern von solcher Größe miteinander verbunden sind, daß sie selbst schon wie Berge auss e hen…«
Die Illusion nahm Gestalt an, erst auf dem Bildschirm zwischen Gary und der Steinoberfläche, wo er sie sofort korrigieren und ausbessern konnte; dann um die Gefährten herum, so daß alle sie sahen. Hiatus, Überraschung und Mentia stießen ein ebenso eh r fürchtiges Murmeln aus wie Gary selbst, als sie beobachteten, wie ein Keilausschnitt der riesigen Stadt aus der fernen Vergangenheit um sie herum Gestalt annahm. Das alles mochte zwar nur Illusion sein, fußte aber auf der Wirklichkeit längst vergangener Zeiten.
Langsam umschritt Gary den Stein und las dabei dessen Bilder – und je länger er dies tat, um so mehr breitete sich die Illusionsstadt auch in andere Richtungen aus, genau so, wie der Stein sie auf der entsprechenden Seite geschaut hatte. Als Gary schließlich seine Umrundung beendet hatte, befand sich um sie herum eine vol l ständige, uralte Stadt, in allen Einzelheiten aus Illusion gegossen. Iris’ Talent hatte allem eine Stabilität verliehen, die Garys Augen naturgemäß fehlte; doch war das Bild erst einmal erschaffen, ve r mochte Iris es auch dauerhaft aufrechtzuerhalten.
»Nun müssen wir die Stadt nach dem Philter absuchen«, sagte Mentia. »Wir können zwar nichts anfassen, vermögen dafür aber alles zu sehen. Schaut doch, die Illusion ist dreidimensional – wir können sogar die gegenüberliegenden Seiten der Gebäude erke n nen.«
»Nicht, solange wir hier oben bleiben«, warf Hiatus ein.
»Dann müssen wir eben hinuntersteigen. Aber seid vorsichtig, weil die Illusionsstadt ja die wirklichen Dinge verbirgt, so daß wir dagegen stoßen können. Wir müssen uns immer vor Augen halten, daß das, was wir hier sehen, nicht mehr der Gegenwart entspricht.«
»Könntest du für uns den Weg ertasten?« fragte Hiatus. »Uns führen, damit wir alles gründlich betrachten können, ohne dabei ins Stolpern zu geraten?«
»Ja, das ist eine gute Idee. Ich werde mich in einen Nebel ve r wandeln und vor euch den Boden abtasten. Dort, wo ihr unb e schadet weitergehen könnt, lasse ich einen grünen Streifen e r scheinen.«
Die anderen machten sich auf den Weg, während Gary und Iris allein zurückblieben und weiter an dem Abbild arbeiteten. Gary war immer noch damit beschäftigt, das Abbild zu untersuchen; er konzentrierte sich mal auf die eine, mal auf die andere Einzelheit. Währenddessen arbeitete Iris die Illusion entsprechend aus. So wurden die vormals nur in groben Umrissen erkennbaren Bauten immer deutlicher.
»Diese Gebäude sind ja hohl!« rief Überraschung von unten.
»Oh«, sagte Gary. »Ich hätte wissen müssen, daß der Stein nur erkennen kann, was in seinem Sichtfeld lag. Das, was er nie zu sehen bekommen hat, konnte er natürlich auch nicht abbilden.«
»Aber nachdem wir erst einmal erfaßt haben, was dieser Stein zu bieten hat«, versetzte Iris, »können wir uns weiteren Steinen wi d men und auf diese Weise andere Perspektiven gewinnen. So we r den wir die Stadt nach und nach vervollständigen.«
»Aber wenn wir das tun, sind wir nicht mehr in der Lage, die Entwicklung auch noch in der Zeit zu verfolgen, um festzustellen, was mit dem Philter passiert«, sagte Gary.
»Wir sollten damit solange warten, bis wir den Philter entdeckt haben«, meinte Mentia. »Zunächst einmal ist es das Wichtigste, ein möglichst vollständiges Abbild der Stadt herzustellen, damit uns nichts entgehen kann.«
Sie hatte recht. Also setzte Gary sein Werk fort, die Beschre i bung der Stadt aus der Sicht des Steines zu vervollständigen. A n schließend
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