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Wasser zu Wein

Wasser zu Wein

Titel: Wasser zu Wein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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befreundet sein, dachte Paul Bremer hinterher. Gregor Kosinski hatte ihn aufs allerfreundlichste ausgehorcht. Und er hatte alles erzählt – auch das, was seinen alten Freunden schaden konnte.
    »Was zum Teufel ist ein ›Schriftsteller für Lebensart‹?« Kosinski hatte das Wort so ausgestellt, als ob er es mit spitzen Fingern auf die Leine hängte. Zum Abtropfen.
    Bremer grinste. Er hatte auch nichts für die überkandidelte Gastro-Schickeria übrig. »Von der Lotte war auch nichts Besseres als Panitz oder Chevaillier – ein Gastrojournalist, wie der terminus technikus heißt. Aber er bildete sich offenbar ein, er hätte die höheren Weihen.«
    »Gastrojournalisten sind die, die durch die Gegend reisen, überall kostenlos essen und trinken und hinterher den Daumen hoch oder runter halten?«
    »Genau.«
    »Also gefürchtet von Winzern und Wirten gleichermaßen.«
    »Genau. Und von der Lotte muß ein besonders unangenehmer Kandidat gewesen sein – ›Herr Penibel‹ hat ihn Panitz getauft. Sebastian Klar kriegte nervöse Anfälle, wenn man bloß seinen Namen erwähnte. Und als dann noch in der ›FAZ‹ stand, es sei etwas faul in der ›Traube‹ und der Michelin-Stern völlig unverdient–«
    »Aha?« Kosinski hatte interessiert die Augenbrauen hochgezogen. Ein bißchen spät war Bremer aufgefallen, daß er soeben dabei war, seinen Freund Sebastian anzuschwärzen. Hastig hatte er versucht nachzubessern.
    »Der Bericht war eine einzige Orgie von Unterstellungen. Auch Alain Chevaillier, hieß es da, habe vor seinem Tod angezweifelt, daß die ›Traube‹ ihren Stern zu Recht trägt. Die Klars hätten die Auszeichnung nur der Protektion ihres Kumpels Panitz zu verdanken gehabt.«
    »Also hätte Klar einen Grund gehabt, Chevaillier umzubringen?«
    »Darauf sollte das wohl hinauslaufen.«
    »So daß er auch einen guten Grund gehabt hätte, Lotte umzulegen?«
    »Einen guten Grund hätte auch Panitz gehabt.« Bremer hatte gequält abgewehrt und damit im gleichen Zug den anderen seiner beiden Freunde an den Pranger gestellt.
    »Und warum?« Kosinski hatte das Gesicht eines, wenn auch schon reichlich verknitterten, Unschuldsengels gehabt.
    »Weil es dem Ruf eines so renommierten Gastrokritikers immensen Schaden zufügt, wenn man ihm Korruptheit vorwerfen kann. Sein Urteil soll objektiv sein. Wenn er der ›Traube‹ einen Freundschaftsdienst getan oder gar Vorteile dafür angenommen hat, sieht das nicht gut aus.«
    »Also ist auch Panitz ein Kandidat.«
    »Ich weiß es nicht, Gregor. Ich weiß nur, daß Panitz selbst sich verfolgt fühlte. Seit man ihn im vergangenen November in einen Gärkeller eingesperrt hat, in dem er fast an Sauerstoffmangel erstickt wäre.«
    Bremer hatte Kosinski die ganze verrückte Geschichte erzählt. Und daß Alain Chevaillier kurz vor seinem Tod einen Nachtisch gegessen hatte, der für Panitz gedacht gewesen war.
    »Und warum sollte jemand Panitz umbringen wollen?« Kosinski hatte sich für diese Variante nicht recht erwärmen können. »Das sieht mir eher nach einer Schutzbehauptung aus. Vielleicht erzählt er die Geschichte nur, um von sich abzulenken.«
    »Er hat sich ziemlich unbeliebt gemacht im Ort, weil er eine Art heiligen Krieg gegen die meisten Winzer hier führt. Er wärmt bei jeder Gelegenheit die ganzen uralten Skandale wieder auf.«
    Kosinski hatte den Kopf geschüttelt. »Ich glaube nicht an Motive, die so weit in die Vergangenheit zurückreichen. Wegen oller Kamellen mordet niemand.«
    Bremer hatte insistiert. »Und weil er sich an die Spitze einer Kampagne stellt, die einigen hier in Wingarten den Weizen ganz schön verhageln könnte.«
    Beim Streit um die Umwidmung der Weinlage Titusborn in Bauland ging es für viele Leute um sehr viel Geld – ein Eins-A-Mordmotiv, hatte Bremer gedacht. Aber auch davon war Kosinski nicht ohne weiteres zu überzeugen.
    »Was hat von der Lotte mit dem Komplex Titusborn zu tun? Das ist die Schlüsselfrage. Denn er, Paul, ist der einzige Todesfall, von dem wir wissen, daß er auf Fremdeinwirkung zurückzuführen ist.«
    »Fremdeinwirkung«. Polizistendeutsch war auch nicht schöner als der Fachjargon von Steuerberatern und Werbestrategen. Aber Kosinskis Frage konnte auch Bremer nicht beantworten. Was hatte Lotte mit Titusborn zu tun? Von Alain Chevaillier immerhin war bekannt, daß er seinen Namen unter den öffentlichen Aufruf gegen den »Ausverkauf des Kulturguts Wein« gesetzt hatte, den Panitz zum Fall Titusborn entworfen hatte.

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