Wasserläufer (Aqua Stellata) (German Edition)
„Tatsächlich kommt mir diese Geschichte hochgradig unwahrscheinlich vor.“
„Nett von Ihnen! Aber Sie haben bestimmt Menschenkenntnis, Professor. Hatten Sie den Eindruck, dass er unter Druck stand? Hat er über seine Probleme gesprochen?“
„Nein “, sagte Alisander.
„Könnte man sagen, Master Lace sei ein verschlossener Mann?“
„Nein, nein. Auf keinen Fall. Lace ist ein höflicher, umgänglicher Mensch ohne jede Neigung zu Aggressivität.“
Hawk lächelte verständnisvoll.
„Immerhin war er vor noch nicht einem Jahr Verursacher eines schweren Unfalls mit einer Toten und zwei Schwerverletzten, davon einer er selbst.“
„Nun, wie Sie sagen: Es war ein Unfall.“
„Ein Unfall, der den berühmten Solisten den linken Arm kostete. Seitdem ist er hoch verschuldet, kann nicht mehr spielen und hat sich von alten Freunden zurückgezogen“, sagte Hawk. „So etwas zehrt an einem Mann. Ich habe mit einem seiner musikalischen Freunde gesprochen, Antonio Tossadori, dem bekannten Dirigenten. Er meint, Master Lace sei immer schon exzentrisch gewesen, habe sich in letzter Zeit aber besonders unzugänglich gezeigt.“
„Das entspricht nicht meinen Beobachtungen“, sagte Alisander fest.
„Master Lace hat keine Anzeichen psychischer Absonderlichkeiten gezeigt?“
„Keineswegs.“
„Eine Mitarbeiterin des Ministeriums hat berichtet, Master Lace habe den Ablauf der Sitzungen immer wieder gestört und sich eingeredet, es gäbe so etwas wie eine politische Verschwörung. Sie meinte, er habe sich sogar verfolgt gefühlt.“
„Davon kann keine Rede sein“, beharrte Alisander.
Hawk änderte seine Taktik.
„Master Lace schien sehr an einem anderen Mitglied des Ausschusses interessie rt gewesen zu sein: Commander Antoia Strudd.”
Alisander deutete ein Nicken an.
Hawk legte die Fingerspitzen zusammen.
„Wahrscheinlich war es ihm wichtig, sie zu beeindrucken.“
„Was meinen Sie damit, Inspektor?“
„Commander Strudd hat eine Position. Sie verdient nicht schlecht. Für einen verschuldeten Musiker ist es nicht einfach, einer solchen Frau etwas zu bieten. Ich nehme an, er hat sich ihretwegen ein wenig in Unkosten gestürzt.“
Alisander unterdrückte die Antwort, Antoia habe da wohl eher ihrerseits in die Tasche gegriffen.
„Nicht, das ich wüsste . Wie sieht es übrigens aus? Meinen Sie, ich könnte mal mit ihm selbst reden?“
Zu seiner Überraschung nickte Hawk bereitwillig.
„Natürlich, Professor. Ich hoffe sogar, Sie werden ihn ein wenig lockern. Es wäre so viel besser, wenn er sich entschließen könnte, reinen Tisch zu machen, wie man so sagt. Bisher gibt er sich leider nicht sehr kooperativ.“
„Was sagt denn der Junge?“, fragte Alisander.
„Das Kind ist noch zu verschüchtert, um uns den ganzen Hergang zu erzählen. So wie es aussieht, hat es den Ablauf auch gar nicht genau mitbekommen. Da spielen noch zwei Komplizen mit hinein, die wir leider nicht fassen konnten. Sie haben auch das Fluchtfahrzeug von der Schleuse weggeflogen. Der kleine Terrel hat uns eine wirre Geschichte erzählt, in dem ein Liebespaar, ein Eissalon und Delphine eine Rolle spielen. Und Master Lace bemüht sich nun, uns diese Komplizen als eigentliche Täter zu präsentieren. Vielleicht können Sie ihn dazu bewegen, vernünftig zu sein. Er macht es sich nur unnötig schwer. Ich bin sicher, man wird ihm die Folgen seines damaligen Unfalls als mildernde Umstände anrechnen. Als ich ihm das auseinander zu setzen versuchte, brach er dummerweise in hysterisches Gelächter aus und es ließ sich nichts mehr mit ihm anfangen. Sie können das bestimmt besser verpacken, Professor Otto.“
„Mal sehen “, sagte Alisander.
Hawk führte ihn durch mattblau luxierte Gänge zu einem Lift, der sie in ein Untergeschoss brachte. Sie mussten mehrere Kontrollen über sich ergehen lassen und durften dann den Sicherheitstrakt betreten.
„Sie können selbstverständlich mit ihm alleine reden“, sagte Hawk und sein harmloser Ton bestärkte Alisander in dem Verdacht, dass sie abgehört werden würden.
Alisander erschrak ziemlich, als Lace in den rundherum verglasten Besuchsraum gebracht wurde. Lace trug nur Hose und Trägerhemd und seine Haut zeigte zahlreiche Abschürfungen und Prellungen. Er ließ sich sofort auf den Stuhl am anderen Ende des gläsernen Tisches sinken und sah Alisander aus roten, verschwollenen Augen an.
„Hi “, sagte er und hustete.
Alisander betrachtete auf die Ferne die offensichtlich frisch
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