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Wassermanns Zorn (German Edition)

Wassermanns Zorn (German Edition)

Titel: Wassermanns Zorn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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erklären, die er trotz allem ja immer noch geliebt hatte. Jeder im Präsidium würde dafür Verständnis haben. Er würde alle Auflagen, die ihn zweifellos erwarteten, erfüllen, würde mit dem Psychoheini quatschen und sein Innerstes nach außen kehren. Nach einer ausreichenden Pause, in drei oder vier Monaten vielleicht, würde er in den Dienst zurückkehren. Natürlich in eine andere Dienststelle. Dort würde er die letzten acht Jahre abreißen, ohne sich noch einmal in so eine beschissene Situation zu bringen.
    Das Wasser kochte. Eric goss es über das Pulver und rührte um. Mit der Tasse in der Hand lief er ins Schlafzimmer hinüber und verschüttete dabei Kaffee auf den Teppich, aber das war in dieser Bude sowieso völlig egal. Da er vergessen hatte, ein Handtuch aus dem Bad mitzunehmen, trocknete er sich mit der Bettdecke ab. Er musste sich aufs Bett setzen, um Socken und Unterhose anzuziehen, und für die Jeans musste er sich mit der Schulter an den Schrank lehnen. Sein Gleichgewichtssinn litt noch unter dem billigen Fusel. Als er die Schranktür öffnete, um ein Hemd herauszunehmen, zwang ihn der Schwindel, sich abermals zu setzen.
    Er griff nach der Tasse, die er auf dem Boden abgestellt hatte, und nahm einen Schluck heißen Kaffee. Das tat gut. Nach und nach beruhigte sich das Karussell in seinem Inneren. Hätte er gestern Nacht an der Tankstelle bloß nicht diesen billigen Rum gekauft. Aber was anderes hatte es da nicht gegeben.
    Sein Blick fiel in den geöffneten Schrank. Weiße Spitze lugte am Schrankboden unter der Bettwäsche hervor. Kathis Brautkleid. Sie hatte es nicht mitgenommen. Er solle sich doch Gardinen daraus machen lassen, hatte sie vorgeschlagen, die könne er dann vorziehen, damit die Nachbarn es nicht mitbekämen, wenn er sich wieder eine Nutte nach Hause einlud.
    Sie konnte sehr bissig sein.
    Die Erinnerung kam wie ein Keulenschlag. Kathi hatte wirklich klasse ausgesehen in dem Kleid, auch wenn es nicht teuer gewesen war. Eric wusste noch, wie sicher er sich gewesen war, den Rest seines Lebens mit ihr verbringen zu wollen. Bis dass der Tod uns scheidet. Damals hatte er es ernst gemeint, die Worte des Pastors voller Inbrunst wiederholt und sich sehr heroisch gefühlt dabei.
    Da hatte er noch nichts von Kathis Geheimnis gewusst. Von ihrem Vater, der mit seiner kranken Neigung alles kaputt gemacht hatte. Ihm war doch gar nichts anderes übrig geblieben, als zu den Nutten zu gehen. Der Job mit seiner Anspannung und dem ewigen Druck, dafür hatte er doch ein Ventil finden müssen. Es war kein Betrug, sondern nur eine Art Entspannung gewesen.
    Die Nutten hatte er ohne großes Gerede und ohne Erklärungen ficken können. Die machten für vage Versprechen von Schutz gern die Beine breit, dumm, wie sie waren.
    Bis auf die eine. Susan Hoffmann. Die war nicht dumm gewesen, sondern richtig ausgekocht. Erst hatte sie mitgespielt, dann aber den Spieß umgedreht und ihn wahrscheinlich sogar an seine Frau verraten.
    Na ja, gebracht hatte es ihr am Ende nichts.
    Eric kippte den Rest Kaffee in sich hinein, stand auf, zog ein blaues Hemd an und ging hinüber in die Küche.
    Er sah sich um.
    Seine Dienstwaffe hatte Nielsen mitgenommen, dieser illoyale Scheißkerl. Eric hatte nicht vor, völlig unbewaffnet hinaus zum Gorreg zu fahren, er zog eine Schublade in der Küchenzeile auf, griff hinein und holte die drei größten Messer heraus. Nacheinander prüfte er sie und entschied sich für das mittlere. Es lag gut in der Hand, die Klinge war lang genug, aber nicht so lang, dass sie sich nicht verstecken ließ.
    Im Flur zog er eine leichte schwarze Stoffjacke über. Mit dem Messer trennte er das Futter der Innentasche so weit auf, dass er es darin verschwinden lassen konnte.
    Bevor er ging, warf er einen Blick zurück.
    Er sehnte sich zurück ins Bett. Es war, als stieße sein Körper einen gellenden, verzweifelten Schrei nach Alkohol aus.
    «Reiß dich zusammen!», sagte er laut zu sich selbst und wandte sich zur Haustür. «Beweise, dass du kein Feigling bist!»

26
Langsam zog das Gewitter ab, der Regen ließ nach. Stille senkte sich übers Land. Über dem Wasser lag eine dünne Dunstschicht, als wolle die Natur einen Schleier des Vergessens über das Geschehene legen.
Er fror stärker denn je. Gleichzeitig war seine Stirn glühend heiß, und dahinter wüteten üble Schmerzen. Sie wurden mit jedem Ruf stärker, der über den See zu ihm herüberschallte.
«Siiriiiii …! Wo seid ihr …?!»
Mama und Papa.

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