Wassermanns Zorn (German Edition)
Metallkugelschreiber.
«Möglich», sagte er schließlich. «Meinst du, der Typ hat etwas mit dem Anruf zu tun?»
Frank hatte seinem Bruder von dem merkwürdigen Anruf in der Zentrale erzählt und ihn gefragt, ob noch jemand anderes gestern Nachmittag an der S-Bahn-Station Schwarzer Berg Dienst geschoben hatte. Er war aber der Einzige gewesen.
Frank schüttelte den Kopf. «Glaube ich nicht. Warum auch? Dieser Anruf hat wohl eher etwas mit der Frau zu tun, die ich von dort aus nach Hause gefahren habe.»
«Vielleicht ist sie von ihrem Ehemann abgehauen, und der denkt jetzt, sie ist bei dir. Ist alles schon vorgekommen.»
«Sie trug keinen Ehering», sagte Frank.
«Was hat das schon zu bedeuten?»
Damit hatte Helmut natürlich recht, aber trotzdem glaubte Frank nicht an diese Variante. Dann schon eher an einen Stalker, der hinter Lavinia her war. Von diesen durchgeknallten Typen hörte und las man in letzter Zeit viel. Die gingen über Leichen und schreckten vor nichts zurück.
«Ich werde auf jeden Fall mit der Frau reden», sagte Frank.
Helmut drückte seine Kippe in dem Sandascher aus.
«Tu das, aber pass auf dich auf. Ich muss los. Schlaf nicht ein.»
Die Dauerfloskel. Frank reagierte schon lange nicht mehr darauf. Helmut meinte es nicht böse, aber der Spruch hatte natürlich eine Geschichte: Als er noch nicht selbständig gewesen war und kein eigenes Auto gehabt hatte, hatte er ein neuwertiges Taxi in einen Schrotthaufen verwandelt, weil er am Steuer eingeschlafen war. Die Narbe über seiner linken Augenbraue zeugte noch heute davon. Damals hatte Frank gezweifelt, ob der Job überhaupt etwas für ihn sei. Autofahren war eine eintönige Tätigkeit, bei der man sich dennoch konzentrieren musste, und diese Kombination war eigentlich Gift für ihn.
Aber er hatte sich in den Griff bekommen und nie wieder einen Unfall verursacht, nicht einmal eine Schramme in einen Wagen gefahren.
Frank drückte seine Zigarette aus und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Den nächsten festen Termin hatte er in einer halben Stunde. Eine kurze Fahrt zum Bahnhof. Danach würde er zur S-Bahn-Haltestelle Schwarzer Berg fahren.
Wenn er Glück hatte, tauchte Lavinia dort auf.
Wenn nicht, würde er sich vor ihrem Haus postieren.
Jetzt hatte er einen guten Grund dafür und würde nicht aufdringlich wirken.
12
Der Zentralfriedhof hatte in allen vier Himmelsrichtungen Parkplätze und Zugänge. Eric Stiffler entschied sich für den westlichen Parkplatz, weil er ihn aus der Innenstadt am schnellsten erreichen konnte. Als er seinen Dienstwagen vor der hüfthohen Backsteinmauer abstellte, dachte er, dass der Wassermann ihn sicher aus genau dem Grund hier, an diesem Zugang, erwarten würde.
Seine Hand verharrte am Türgriff. Er beobachtete seine Umgebung. Nur ein weiterer Wagen befand sich auf dem Parkplatz. Über die Mauer hinweg konnte er auf dem schattigen Gelände des Friedhofes niemanden erkennen.
Eine Falle?
Eric überlegte, öffnete aber dann doch die Tür. Erstens glaubte er nicht daran, und zweitens blieb ihm nichts anderes übrig. Jede Möglichkeit, dieses Debakel ohne großes Aufsehen zu beenden, musste er nutzen.
Er stand neben dem Wagen und tastete nach seiner Pistole. Sie steckte im Holster. Dann machte er sich auf den Weg.
Im Schatten alter Bäume lag der Friedhof wie eine fremde Welt vor ihm, eine stille Oase inmitten der Hektik und dem Lärm der Stadt. Er drückte die metallene Pforte auf. Sie war gut geölt und quietschte nicht, schloss aber dank Federspannung von selbst und knallte laut gegen den Eisenrahmen. Das Geräusch hallte wie ein Schuss über den weitläufigen, stillen Friedhof.
Eric zuckte zusammen und zog die P2000 aus dem Achselholster. Mit dem Zeigefinger am Abzug hielt er sie am langen Arm an den Oberschenkel gepresst, sodass sie fast mit ihm verschmolz.
Der harte Knall des Eisentores hatte ihn geweckt, hatte ihn vom Jagdfieber in die Realität zurückgeholt, und die zeigte ihm nun schonungslos, in welcher Lage er sich befand.
Unter Adrenalin hatte er sich in eine beschissene Situation gebracht. Das Areal war völlig unübersichtlich. Selbst wenn er stundenlang hier herumlief, würde er niemanden finden, der nicht gefunden werden wollte.
Unter anderen Umständen wäre er niemals allein hierhergekommen, aber die üblichen Regeln galten seit gestern nicht mehr. Im Präsidium mochten sie glauben, dass er keinen Arsch in der Hose hatte, aber die, die das sagten, waren Dummköpfe. Ja, es
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