Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wassermanns Zorn (German Edition)

Wassermanns Zorn (German Edition)

Titel: Wassermanns Zorn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
Vom Netzwerk:
wildgewordener Wasserbüffel zog er mit hochrotem Kopf an ihr vorbei, derart in seinen Ärger vertieft, dass er sie gar nicht bemerkte.
    Nachdem Bender verschwunden war, blieb sie noch einen Moment mit angehaltenem Atem an der Wand stehen. Eine Stimme in ihrem Kopf schrie ihr zu, sie solle abhauen. Zurück nach Hause, Decke über den Kopf und krankmelden.
    Sie tat es nicht. Stattdessen ging sie zögernd in Richtung von Stifflers Büro. Schon von weitem hörte sie Nielsens laute Stimme.
    «Verflucht noch mal. Muss ich jetzt die ganze Scheiße hier aufräumen, oder was!»
    In Manuelas Kopf entstand ein grauenhaftes Bild. Noch einen Schritt weiter, dann würde sie Eric Stiffler mit halbem Kopf auf dem Schreibtisch vorfinden, die Wand hinter ihm mit Blut und Gehirnmasse besudelt. Das wollte sie weder sehen noch die Verantwortung dafür übernehmen. Aber wenn sie erzählte, was sie gestern Nacht gesehen hatte, würde man sie ihr fraglos zuschieben.
    Manuela beschloss zu lügen.
    Selbst wenn man ihr mit Hilfe der Überwachungskameras nachweisen konnte, dass sie noch einmal oben gewesen war, musste sie ja nicht zwangsläufig etwas gesehen haben. Sie würde einfach alles abstreiten. Manuela konnte Lügen nicht ausstehen und hasste sich jetzt schon dafür, aber für so jemanden wie Stiffler wollte sie ihre Karriere nicht aufs Spiel setzen.
    Sie bereitete sich auf den Anblick vor und trat in die geöffnete Bürotür.
    Der Schreibtisch war leer, die Wand dahinter weiß wie eh und je.
    Nielsen, Habermann und Petrie starrten sie gemeinsam an, als nähmen sie an einem Wettbewerb für blödes Gucken teil.
    «Sperling», rief Nielsen, «wo kommen Sie denn jetzt her?»
    «Ich … ich …»
    Manuela war endgültig verwirrt.
    «Warum gehen Sie weder an Ihr Handy noch an Ihren Festnetzanschluss? Haben wir hier neuerdings Gleitzeit, oder was?»
    Nielsen war wirklich wütend und wahrscheinlich nur deshalb nicht so rot wie Bender, weil man das unter seiner Solariumbräune nicht sehen konnte.
    Manuela griff in die Innentasche ihrer Jacke und zog das teure Smartphone hervor, das sie sich selbst zum Dienstantritt geschenkt hatte. Es war nicht eingeschaltet. Sie stellte es abends immer ab, weil der Akku sich sonst so schnell entlud, außerdem wollte sie nicht verstrahlt werden.
    «Sorry, war nicht an», sagte sie und holte es nach. «Wann haben Sie versucht, mich zu erreichen?»
    «Vor zehn Minuten.»
    «Da war ich unterwegs hierher.»
    «Verflucht, Sperling», er schüttelte den Kopf. «Das ist kein Kindergarten hier. Auf irgendeine Art müssen Sie immer erreichbar sein. Gerade nach so einer Sache wie gestern.»
    «Kommt nicht wieder vor», murmelte Manuela und spürte sich nun selbst rot werden. Wie peinlich.
    «Wie geht es Ihnen denn?», fragte Nielsen nun wesentlich leiser. Sie schaute überrascht hoch.
    «Na ja, es geht. Ich komme klar.»
    «Schön. Na, schön.»
    Er ließ sich schwer in Stifflers Schreibtischstuhl fallen, fuhr sich mit den Händen durch die Haare und sah dann zu ihr auf. Er wirkte verzweifelt.
    «Wir haben ein Riesenproblem.»
    Manuela machte sich auf die Horrornachricht gefasst. Stiffler hatte es nicht hier getan, sondern irgendwo anders. Vielleicht in der Tiefgarage oder bei sich zu Hause. Er war doch tot, und sie hätte es verhindern können.
    «Eric ist verschwunden», sagte Nielsen. «Er geht nicht an sein Handy, und zu Hause ist er nicht. Da war ich bereits. Hoffentlich hat er keine Scheiße gebaut.»
    «Vielleicht ist er auch gerade auf dem Weg hierher», schlug Manuela vor. «Oder er ist in der Pathologie bei seiner Frau.»
    Habermann schüttelte den Kopf.
    «Da hab ich schon nachgefragt.»
    «Und wenn er doch zum Tatort rausgefahren ist?», sagte Petrie, der unausgeschlafen und gelangweilt wirkte.
    «Dann würde er doch an sein Handy gehen.»
    «Wir hätten ihn in der Nacht nicht allein lassen dürfen», sagte Habermann mit weinerlicher Stimme und schüttelte abermals den Kopf. Manuela fand, er sah aus wie jemand, der kurz vor einem Nervenzusammenbruch stand, und zum ersten Mal wurde ihr bewusst, was für eine merkwürdige Truppe Stiffler für die Mordkommission zusammengestellt hatte.
    «Wir sind weder seine Babysitter noch für ihn verantwortlich», sagte Nielsen. Er wirkte als Einziger hellwach und voller Energie.
    Manuela sah unschlüssig von einem zum anderen. Sollte sie ihren Kollegen doch erzählen, was sie letzte Nacht beobachtet hatte? Aber Nielsens hatte recht: Sie waren keine

Weitere Kostenlose Bücher