Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wassermans Roboter

Wassermans Roboter

Titel: Wassermans Roboter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang (Hrsg.) Jeschke
Vom Netzwerk:
aus Porzellan sind. Das war genau wie in meinem China.«
    »Ich will keine Cheerios«, sagte Jessica. Sie drehte das Gesicht nach oben, so daß die dunklen Haare drumherum nach hinten fielen und die weißen Konturen – rund an der Stirn, aber mit einem spitzen Kinn – sichtbar wurden. Ihre Haare waren nicht die einer Chinesin, aber fast, eine Mischung aus Margarets gröberem Braun und Elliots glänzendem Schwarz.
    »Hättest du mir das vielleicht sagen können, bevor ich die Milch drübergegossen habe?« erkundigte sich Margaret.
    »Vorher wollte ich ja Cheerios.« Jessica wandte das Gesicht ab und sah Margaret aus den Augenwinkeln an. »Inzwischen hab’ ich’s mir anders überlegt.«
    »Ist ja zu blöd«, sagte Elliot. »Jetzt sind sie nämlich fertig, und nun mußt du sie essen.« Er schob seinen Krawattenknoten nach oben und ignorierte Jessicas finstere Miene. »Ich komme vielleicht spät nach Hause«, erklärte er Margaret. »Oder auch nicht. Ich ruf dich an.« Er trat wieder an den Tisch, um Jessica einen Kuß zu geben, aber sie drehte die Wange im letzten Moment weg. Er tätschelte ihr ersatzhalber die Haare. »Viel Spaß im Kindergarten, Moi-Moi«, sagte er. »Und iß die Corn Flakes. In China hungern die Kinder.« Er sah Margaret an. »Daß du sie mir nicht für sie aufißt«, drohte er und ging mit einer Abfolge vertrauter Geräusche: Schritte, die Wagenschlüssel in der Hand klimpernd, die Tür, der Motor des Wagens.
    Jessica schob ihre Cheerios weg. Margaret schob sie ihr wieder hin. »Viele Menschen haben Phantasiewelten«, sagte sie.
    »Kann ich auch Saft haben?« fragte Jessica. »Und Toast mit Marmelade?«
    »Iß deine Cheerios, während ich dir einen mache«, sagte Margaret. »Bevor sie matschig werden.« Jessica fing an, die Cheerios umzurühren. Sie drehte den Löffel immer schneller; Milch schwappte über den Rand der Schüssel. Margaret war gerade damit fertig, Marmelade auf den Toast zu streichen, als sie eine Autohupe in ihrer Auffahrt hörte. »Oh, nein«, seufzte sie. »Das kann nicht Mrs. Yates sein. Noch nicht.« Sie warf einen Blick aus dem Küchenfenster. Mrs. Yates winkte ihr vom Fahrersitz des grünen Station Wagon aus zu. »Deine Fahrgemeinschaft ist da«, sagte Margaret zu Jessica. »Lauf und zieh dir die Schuhe an, Liebling!«
    Jessica rannte ins Schlafzimmer und kam nicht zurück. Margaret rief zweimal nach ihr und ging sie schließlich holen. Jessica sprang auf dem Bett herum. »Wenn ich richtig hoch komme«, erklärte sie ihrer Mutter, »kann ich über den Zaun schauen. Dann kann ich Charlie sehen.« Charlie war der kastanienbraune Setter von nebenan.
    »Deine Schuhe?« fragte Margaret.
    »Sind weg.«
    Margaret hob das Deckengebirge hoch, das sich am Fußende von Jessicas Bett häufte, und fand einen blauen Turnschuh mit einem Bild von Samson darauf. Sie tastete unter dem Bett herum, bis sie den zweiten entdeckt hatte.
    »Waren sie da?« fragte Jessica erstaunt. »Die ganze Zeit?« Sie fiel auf ihren Stuhl und ließ sich von Margaret die Füße in die Schuhe stopfen und einen doppelten Knoten binden.
    »Jetzt lauf!« sagte Margaret, »Mrs. Yates wartet«, und auf dem Weg zur Tür hinaus gab sie Jessica den Toast, damit sie ihn im Wagen aß. Sie stand da und sah zu, während Mrs. Yates Jessica den Gurt anlegte, dann ging sie wieder nach drinnen. Sie schob die Schüssel mit den Cheerios aus der Milchlache zu ihrem Platz und aß die ausgetrockneten Frühstücksflocken, ohne etwas zu schmecken. Das einzige Geräusch im Haus kam vom Ofen – ein stetiges Summen, wie der Verkehr auf einer weit entfernten Autobahn. Und dann, draußen und sehr weit weg, eine Sirene. Für Sirenen hatte Margaret immer ein Ohr, und sie achtete ganz besonders darauf, wenn Jessica nicht da war. Der Kindergarten war Elliots Idee gewesen.
    »Sie braucht Freunde, und du brauchst mal Pause von ihr«, hatte er gesagt. Er hatte darauf bestanden. Jessica fiel die Umstellung leichter als Margaret.
    »Sie ist immer noch ein bißchen still, wenn sie mit den anderen Kindern zusammen ist«, teilte der Erzieher Margaret mit. »Aber natürlich ist sie auch erst spät dazugekommen. Wir müssen ihr ein wenig Zeit lassen. Und sie scheint sich bei mir absolut wohl zu fühlen. Sie hat eine wundervolle Phantasie. Gestern hat sie mir etwas von so einer Kinderwelt erzählt, der sie Besuche abstattet.«
    »Ja«, sagte Margaret. »Davon bekommen wir öfters was zu hören. Bitte passen Sie am Klettergerüst gut auf sie auf. Sie ist

Weitere Kostenlose Bücher