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Wassermusik

Wassermusik

Titel: Wassermusik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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auf Fannys Mutterschaft dennoch erregt, und er hatte sich redlich bemüht, die diversen erotischen Zugänge zu erforschen, die ihm die Madonna mit Kindlein nun bot – er balancierte die Babyhaubeauf seinem erigierten Glied, nuckelte an Fannys Brust, band sie an der Wiege fest und vergewaltigte sie von hinten, vögelte ein paar Fräuleins aus dem Dorf mit umgebundenen Windeln   –, doch bald langweilte ihn das alles. Babygeplapper, Babysprache, Babyrasseln, das ganze unerträglich Süße daran. So lebten doch Helden nicht. Er wurde depressiv. Hörte auf zu schreiben. Verbrachte seine Tage mit dem Organisieren von Hahnenkämpfen oder im Bett mit einem Fläschchen Laudanum und einem faustgroßen Klumpen von des Markgrafs orientalischem Tabak. Er ergründete die Tiefen des Weinkellers seines Gastgebers, spielte Billard, bis der Filz völlig durchgescheuert war. Sein Blick wurde matt, und die breiten Lippen schwollen dermaßen an, daß es aussah, als schmollte er ständig über eine imaginäre Ungerechtigkeit, außerdem entwickelte er die Angewohnheit, sich an seinem fehlenden Ohrläppchen zu zupfen.
    Eines Nachts betrank er sich sinnlos mit Herrn von Pölkler, und die beiden schlitzten einander die Wangen mit dem Rasiermesser auf – aus rein kosmetischen Gründen. Die Narben trugen sie wie Rangabzeichen.
     
    Als der dritte Geburtstag des Kindes herankam, arrangierte Herr von Pölkler für den Vorabend ein großes Galafest; denn am nächsten Morgen sollte der Junge erstmals in den Genuß seiner Erziehungsmethode kommen. Der Bürgermeister von Hamburg war geladen, verschiedene Honoratioren der Umgebung, kleinere Aristokraten, Bankiers und Geschäftsinhaber. Die meisten verliehen ihrer Mißbilligung des markgräflichen Lebensstils Ausdruck, indem sie die Einladung höflich ablehnten. Wer aber trotzdem kam, dem bot sich Ergötzung bei Tanz und Kammermusik, bei gebratenem Spanferkel mit Pflaumensoße und Weinkraut, selbstgebrautem Schwarzbier, Bocksbeuteln und allem, was die Phantasie sonst noch wünschen mochte. Einigeausgewählte Gäste wurden danach eingeladen, dem Markgrafen in ein Kellergemach zu folgen, das ehemals als Kerker gedient hatte und immer noch mit allem Zubehör für Folter- und Marterqualen ausstaffiert war. Dort kosteten sie französischen Champagner, aßen Opium, warfen Roben und Frackjacken in die Ecke und ließen sich von ihren Trieben leiten.
    Fanny nahm an der Party nicht teil. Sie lag im Bett, neben sich ihr Kind, und zählte die Laudanumtropfen ab. Es war jetzt fast vier Jahre her, seit sie durch die Tore von Geesthacht getreten war, vier Jahre, in denen sich Einsamkeit, Verzweiflung und Selbstverachtung angehäuft hatten, bis ihre vereinte Kraft sie Tag und Nacht peinigte, vier Jahre, die ihre ganz persönliche Jahreszeit in der Hölle darstellten. Sie war eine Gefangene. Ihre Zukunft war am Galgen erdrosselt worden, die Gegenwart ein Pesthauch.
    Anfangs hatte das Kind ihr neuen Lebensmut eingeflößt. Sie war aus ihrem Tran erwacht, hatte Forderungen an Brooks und Pölkler gestellt, ihre tägliche Dosis Medizin zurückzuschrauben versucht. Ihre Wärter waren den Forderungen auch nachgekommen – sie erhielt eine gewisse Entscheidungsfreiheit und wurde die meiste Zeit über in Ruhe gelassen   –, doch das Laudanum besaß eine Macht über sie, die wesentlich tiefer griff als jeder Einfluß, den die beiden ausüben konnten. Ohne Tinktur wurden ihre Träume sauer. Dann sah sie Ned im Grab, und in seinem Totenhemd ringelten sich Würmer und Insekten; sie sah ihren Jungen, den Sohn einer Hure, wie er unter Pölklers Zucht zur Bestie wurde; sie sah sich selbst, wie sie sich im kalten, schwarzen Schlamm eines Flußbetts wand und die Strömung über sie dahinraste wie ein Gewitterhimmel. Entsetzt fuhr sie im Bett hoch, klatschnaß vor Schweiß, und wurde sofort von Schüttelfrost gepackt. Ihre Kehle war trocken, die flinken, scharfen Klauen und Zähne vontausend Nagetieren mit funkelnden Augen rissen an ihren Eingeweiden. Sie griff nach dem blauen Fläschchen.
    Inzwischen war es eine Selbstverständlichkeit. Sie nahm 7000   Tropfen am Tag und hatte schöne Träume. Auch der Junge schlief damit besser. Als sie ihn von der Brust entwöhnt hatte, konnte er das Essen nicht bei sich behalten und strampelte, von Koliken gepeinigt, ruhelos in seiner Wiege herum. Frau Grunewald, die uralte Amme, die schon Herrn von Pölkler in seiner Kindheit versorgt hatte, regte an, dem Kleinen ein paar Tropfen der

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