Wassermusik
gerne mit uns kommen möchtet, oder?»
ÜBER DEN RUBIKON
Durch die zähe, lastende Luft der Tropen – die schon jetzt schwanger von Feuchtigkeit ist – dringt an diesem Morgen das fröhliche Jauchzen von Männern, die sich unsagbar glücklich, ja vom Schicksal begünstigt schätzen. Es ist der Jubel der Erlesenen, der wenigen Auserwählten, der Glückspilze, die gerade die Schönheitskönigin geküßt und den ersten Preis gewonnen haben; es ist der Jubel von Siegern. «Hurra!» rufen sie. «Hipp-hipp-hurra!» Zu diesen Jubelrufen gesellt sich noch ein Klang, der an das statische Rauschen des Himmels gemahnt – metallisch, blechern, kratzend –, der Klang von gepeinigten, gemarterten Musikinstrumenten. Die Quelle dieser sekundären Kakophonie ist die Regimentskapelle, die aus sechs Hörnern, zwei Trompeten und einer Gambe besteht. Dicht vor dem Haupttor plaziert, schludert sich die Kapelle durch «Rule Britannia» und die Bourrée aus der «Königlichen Feuerwerksmusik». Der Anlaß ist bedeutsam. Rang um Rang stehen rotbejackte Soldaten stramm, sogar der Major hat geruht, einmal früh aufzustehen und seinen Schecken satteln zu lassen, die Musiker dröhnen los wie eine Synode der Erzengel: Mungo Parks zweite Expedition macht sich auf den Weg.
Die fünfunddreißig Männer, die der Entdeckungsreisende zu seiner Begleitung bestimmt hat, stolzieren wie Pfaue durch das Tor, sie krähen ihr Glück heraus und wirken sogar fast schneidig in den neuen Uniformen, die zu diesem Anlaß ausgegeben wurden. Und warum sollten sie nicht krähen? Sie entkommen einem Höllenpfuhl, einem Sarg, dem Schlund von Pestilenz und Tod, und sind unterwegs auf eine Spritztour, die sie ein bißchen durch die Gegend und dann zurück nach England bringen wird, als freie Männer und noch dazu als Helden. Der Rest der Garnison kann solche Heiterkeit nicht aufbringen. Die 325 Häftlinge, die Mungo zurückläßt (in der Zwischenzeit sindacht weitere gestorben), jubeln zwar auch, aber nur der Form halber. Sie sind deprimiert, neidisch, furchtbar enttäuscht. Manche wenden sich ab und brechen in Tränen aus. Andere schluchzen es offen heraus oder schneuzen sich in Hemdsärmel und schwärzliche Lumpen.
Der Entdeckungsreisende, ganz vorn an der Spitze, geht vor Zuversicht und Optimismus beinahe über. Er hat fünfunddreißig gute Leute rekrutiert, starke, beherzte und aufrechte Männer – ganz zu schweigen von ihrem Eifer und dem echten Schrot und Korn. Er hat seine Esel, die Regierung hinter sich, Zander an seiner Seite, und die Kapelle spielt auf. Wie könnte das größte Abenteuer seines Lebens günstiger beginnen?
Er grinst, grinst, bis ihm die Lippen aufspringen, salutiert die ganze Zeit vor der Menge und denkt dabei: Jetzt geht’s los, nach so langer Zeit geht es endlich los. Jetzt gibt es kein Umkehren mehr, nichts kann ihn noch aufhalten. Er wird den Niger erforschen und die Herzen und Seelen der ganzen Welt erobern. Nichts anderes als die Unsterblichkeit erwartet ihn.
Eine Viertelstunde später, wieder an Bord der
Crescent
und eingeklemmt zwischen seinen hüteschwenkenden Leuten und der schreienden Eselsherde, zieht er seine Liste hervor und ruft kurz die Mannschaft auf. Die soliden keltischen und angelsächsischen Namen gehen ihm von der Zunge wie zäher Sirup, und ihre Antworten kommen zackig und enthusiastisch zurück, eine Stimme hoch und quietschend, die andere heiser und tonlos, die nächste im tiefsten Baß. Insgesamt sind es fünfundvierzig: er selbst, Zander, Georgie Scott und Leutnant Martyn, die vier Zimmerleute, zwei von der
Eugenia
abgeworbene Matrosen, die die Boote auf dem Niger steuern sollen, und dann die fünfunddreißig tapferen Männer, die er der Garnison entlockt hat. Bei diesen kann er noch nicht recht die Namen mit Gesichtern zusammenbringen, nur einige erkennt er, unter anderemJemmie Bird, Jonas Watkins, Ned Rise und Billy Boyles. Abgesehen von Martyn sind es fast alles einfache Gefreite. Die Ausnahme ist Feldwebel M’Keal, ein außerordentlicher Mensch, tapfer und bewährt und mit dreißig Jahren reicher Erfahrung im aktiven Dienst. Nach dem Händedruck und einem Blick in seine Augen wußte Mungo sofort, daß dies ein echter Mann war – seine militärische Karriere war da unwesentlich. Unwesentlich, daß er zwölfmal Obergefreiter und neunmal Feldwebel gewesen war und auch weitergekommen wäre, wenn ihn seine unselige Freundschaft mit der Flasche nicht immer wieder degradiert hätte. Der Mann war von
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