Wassermusik
– für Georgie weich. Eine Zeitlang sitzt sie reglos und starrt auf die Schuhe in ihrem Schoß, gedemütigt, verängstigt, wütend auf die intriganten Weiber, wütend auch auf Georgie. Doch dann springt sie vom Bett auf und knallt den Schuh an die Wand, so beleidigt und verletzt und ärgerlich wie nie zuvor. Georgie ist ja nicht schuld – er ist ein Heiliger, ein Erlöser gewesen –, und Mrs. Quaggus und Fiona auch nicht. Es ist Mungo – Mungo ist der Schuldige. Wäre sie denn hier oben am Loch Ness, wenn er sie nicht verlassen hätte? Würde sie einen anderen Mann auch nur anschauen, hätte er nicht sein Ehegelübde gebrochen? Nein. Ob tot oder lebendig, er hat sie zur Witwe gemacht, zur Einzelhaft verbannt. Also hat er es sich selbst eingebrockt. KeineFrage. Und sie will verdammt sein, wenn sie zu Hause herumsitzt und auf ihn wartet, bis sie graue Haare hat.
Zehn Minuten später sitzt sie vor einer Tasse Tee und lacht sich über irgendeinen dummen Witz von Georgie halb kaputt. Ihr Sohn, der kaum über den Tischrand sehen kann, blickt sie erstaunt mit Mungos Augen an, und das Lachen bleibt ihr in der Kehle stecken. Es entsteht ein kurzes, peinliches Schweigen, in dem Betty, ihr Priester, Fiona und diverse Macdonalds und Ramsays verlegen in ihre Tassen starren, bis Mrs. Quaggus eine Hand ausstreckt und den Jungen kitzelt, so daß er lachend in sich zusammensinkt.
Lächelnd tippt Fiona mit dem Löffel an den Tellerrand. «Ahem», räuspert sie sich und fährt sich durchs Haar. «Darf ich mal was sagen in diesem ganzen Frohsinn? Also, Ailie, ich dachte, Sie und Georgie könnten doch morgen zu einem meiner Pächter rausfahren – ein bißchen was vom malerischen Leben im Hochland schnuppern. Sehr idyllisch, das sag ich Ihnen.»
«Ja, machen wir das doch.» Georgie begegnet ihrem Blick, sieht dann aber weg.
«Wir werden uns mit dem größten Vergnügen um den jungen Mann kümmern», fügt Mrs. Quaggus hinzu.
«Zur Sicherheit.» Fiona lächelt immer noch, ihre Lippen geben die Zähne frei.
Auf der Heide lastet der Himmel schwer auf den beiden. Die Hügel sind wolkenverhangen, Dunst steigt aus den Tälern auf. Wo man eben noch Blumen, Farne, frischgrüne Büsche sah, ist nur noch ein tiefhängendes Nebelband, das aufwärts wabert, um Himmel und Erde zu vereinen. Ailie und Gleg reiten auf zwei kastanienbraunen Pferden voran, und Thomas – er hatte so lange herumgetobt, bis Ailie sich erweichen ließ und erlaubte, daß er mitkam – bildet die Nachhut auf einem Pony, das von Cousine Fionas Verwalter,Rorie Macphoon, geführt wird. Auf einer Anhöhe halten sie an, um einen einsamen Collie zu beobachten, der seine Herde behutsam den Hügel hinuntertreibt, die weißen Pfoten blitzen da und dort kurz auf, während er in einer Nebelbank umherflitzt, um Nachzügler aufzustöbern. Direkt vor ihnen steht ein großes, breitschädliges Mutterschaf und späht über die Schulter wie eine ängstliche Großmutter; dabei reißt es hastig Gras und riesige Büschel Heidekraut ab, bevor der Hund es erwischt. Georgie, der in selten guter Form ist, zitiert aus Macbeth:
«Jucken spür ich in der Hand/Etwas Böses ist im Land»
, und der alte Rorie lacht sich halb tot darüber.
Es ist merklich dunkler geworden, und ein feiner Nieselregen verdichtet die Luft, als sie die kleine Hütte am Hang erreichen. Idyllisch, denkt Ailie, ja wirklich, und dann ruft sie Thomas zu, schnell herzukommen und sich das anzusehen. Der Junge ist ganz hingerissen, verzückt von dieser romantischen Szene, die wie aus dem Bilderbuch wirkt. Die Hütte aus Torf hat eine rohe, ungehobelte Tür, und aus der vorderen Wand ist ein Viereck herausgehauen, das als Fenster dient. Durch den Hof plätschert ein Bächlein, es klingt nach gurgelnden Fischen und Wassermännern, kahle schwarze Kiefernstämme ragen aus der dampfenden Atmosphäre auf wie riesige Bohnenstangen, und ein angenehm unheimliches Stimmengeschnatter vermengt sich mit dem Qualm, der aus dem Schornstein steigt. Georgie klopft an die Tür, die Reitpeitsche in der Hand.
Gleich darauf geht die Tür auf, und ein verdutzt dreinblickender alter Mann steckt den Kopf heraus. Er glotzt Georgie an, als käme er von einem fremden Planeten, legt das zerfurchte Gesicht schief und kneift ein Auge zu, um ihn besser sehen zu können. Georgie hat die Hand ausgestreckt, herzlich und herablassend zugleich. «Gleg», sagt er. «Georgie Gleg. Wir kamen gerade hier vorbei und wollten Sie kurz
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