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Wassermusik

Wassermusik

Titel: Wassermusik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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der Küche. Eine Gefangene. «Na warte», sagte er. «Der zeigen wir’s. Morgen früh um zwei. Ich bringe eine Leiter mit. Du kannst ja bis Sonnabend bei mir wohnen, und dann nehmen wir das Schiff nach Holland.»
    «Ned», hauchte sie, ihre Stimme war weich wie eine Daunendecke. «Ich liebe dich.»
    Er wollte ihr gerade die Standardantwort der Verliebten zurückflüstern,
con gusto
, als auf einmal irgendwo indem dunklen Haus der Mops zu kläffen anfing, er kläffte und kläffte, als hätte man ihm den Schwanz ausgerissen. Die Läden schlossen sich mit einem Klicken. Ned nahm die Beine in die Hand, aber da erschien jemand mit einer Laterne an der Hintertür   – Bount oder Sir Joseph   –, und jetzt schoß auch der Mops heraus, raste über den Rasen wie ein Haarbüschel im Sturm, sein schrilles, hartnäckiges Gekläff war ihm dicht auf den Fersen. Es gab einen Blitz und den Knall eines Schusses, dann war er über die Mauer und auf und davon.
     
    Mit der leisen Grazie und der instinktiven Sicherheit einer Katze schlich Ned durch die dunklen Nebenstraßen und Seitengäßchen. Zu dieser Nachtstunde waren die Straßen unbeleuchtet und gefährlich, durchstreift von Räubern, Taschendieben, Trunkenbolden und Mördern. Ned bewahrte ein unauffälliges Profil. Huschte von Schatten zu Schatten, hielt sich dicht an Häusermauern, nahm Abkürzungen über Höfe, wo immer es ging, und vermied so aufs Peinlichste jeden zwischenmenschlichen Kontakt auf seinem Rückweg nach Southwark. Es war ziemlich knapp gewesen vorhin im Garten – wenn der alte Sir Jos nicht so ein mieser Schütze wäre, wer weiß? Auf alle Falle ein schlechtes Omen. Womöglich warteten sie morgen nacht schon auf ihn, wenn er mit der Leiter kam. Er überlegte, ob er sich Liams rostige Arkebuse ausborgen sollte.
    Als er schließlich, fast eine Stunde später, die Bear Lane erreichte, war er völlig geschafft. Einen ganzen Nachmittag Fischeier zu verkaufen, und dann noch die lange, frustrierende Nacht in Sir Josephs Garten, das war alles ziemlich strapaziös. Er würde bis zum nächsten Abend schlafen, sich um eine Kutsche, die Leiter, vielleicht auch noch eine Pistole kümmern und dann losziehen und seine Fanny abholen. Der Gedanke beflügelte ihn, während er die Stufen zu seinem Zimmer hinaufstieg: Morgen nacht würde ersie hier haben – in seinem Bett   –, sicher, gewiß und ganz für sich. Kein Herumschleichen im Finstern mehr, keine verkürzten Schäferstündchen, nie wieder nasses Gras und dornige Hecken. In seiner Hose regte es sich, während er den Schlüssel herumdrehte und sein Zimmer betrat.
    Er machte sich nicht einmal die Mühe, die Kerze anzuzünden. Schüttelte nur die Jacke ab, riß sich den falschen Bart herunter und warf sich aufs Bett. Aber Moment mal – was war denn das? Da lag schon jemand in seinem Bett! Ganz flüchtig dachte er zuerst, es sei vielleicht Fanny, doch dann kam ihm eine weitaus wahrscheinlichere und schauerlichere Erklärung   …
    Im selben Augenblick flammte ein Streichholz auf und beleuchtete die geröteten, akromegalen Züge von Smirke – dann brannte der Kerzendocht, und der Raum erhellte sich schlagartig. Ned schreckte zurück. Das Zimmer war, wie er nun sah, voller Menschen. An der Kommode lehnten Twit und Jutta Jim; auf dem Waschtisch saß Mendoza, neben sich den engelhaften jungen Stutzer, der ihm an jenem Tag, den Ned lieber für immer vergessen hätte, das Jackett gehalten hatte. Dann war da noch Smirke. Riesenhaft, mit herabhängenden Schultern, auf den Lippen ein schmales, erwartungsvolles Grinsen wie ein brünstiger Schwarzbär. Im Bett lag Boyles und schnarchte im Tiefschlaf.
    «Aha, aha, Ned ist da», begann Twit in seinem schwirrenden, nasalen Tonfall. «Welch eine Freude und Überraschung, dich wiederzusehen.»
    Mendoza ließ einen mit Sand gefüllten Socken gegen den Fuß des Waschtisches klatschen: wapp   … wapp   …
    «Ja, wirklich eine große Freude. Aber wieso du uns nicht schon früher eingeladen hast, wird mir ewig ein Rätsel bleiben. Wir hätten doch aus deiner wundersamen Auferstehung von den Toten mächtig Kapital schlagen können. Die Päpstlichen wären ganz aus dem Häuschen gewesen.» Seine Stimme senkte sich zu einem Knurren. «DieRäuber, die sie neben Christus ans Kreuz gehängt haben, hätten sich so ein Glück gewünscht.»
    «Verdammich, ich hau dir die Fresse ein!» polterte Smirke.
    Jetzt bemerkte Ned die eiserne Geldkiste. Sie stand auf dem Tisch, das Schloß zerstört,

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