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Wasserwelten

Wasserwelten

Titel: Wasserwelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Lenz
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Mühseligkeit der Bewegung zu verkünden. Die Aufbauten der Schiffe gleiten nah vorbei, sie scheinen keine Berührung mit dem Wasser zu haben. Für mich sind das die, ich will nicht sagen erregendsten, aber doch spannendsten Augenblicke auf der Elbe: wenn der weißliche Dunst sich für die Nacht senkt und alles am Strom fraglich werden läßt.
    Deutschstunde, 1968

Wandert an einem verträumten Sonntagnachmittag
    rings um die Stadt herum. Was sehr ihr da?
    Aufgereiht wie schweigende Schildwachen rund
    um die Stadt stehen Tausende und aber Tausende
    von sterblichen Menschen in Weltmeerträumen versunken.
                                          Herman Melville, Moby Dick
     
     
     
     
    Über dem Strom lag leichter Nebel, und es war windstill, und kein Geräusch drang von der Werft herüber. Nur das warnende Nebelhorn eines aufkommenden Schiffes war zu hören, es lief den Strom hinauf, es näherte sich blind und langsam dem Hafen: auch während des Nebels floß Gewinn in die Stadt, glitt Umsatz und Reichtum stromaufwärts. Einst war der Gewinn auf Karavellen in den Hafen gelangt, auf Koggen, Fregatten, Briggs und Korvetten, nun kam er mit Tankern herein, mit schnellen Frachtern und schneeweißen Fruchtdampfern. Die neuen Schiffe waren groß, man konnte erschrecken angesichts ihrer Größe: als triebe ein Kontinent vorbei, ein ganzer fahrbarer Erdteil mit Schätzen, so zogen sie den Strom hinauf, und in ihrem Innern lagen Berge goldenen Tabaks aus Virginia, lagen Stapel von duftendem Holz aus den Wäldern Finnlands, schwedisches Erz und Gebirge aus dänischem Schweinespeck. Die ganze Herrlichkeit der Welt ruhte in ihren erschreckend großen Bäuchen:Jute und Juchten, Kaffee und Konserven, Weine und Gewürze, hochgetürmt und gestapelt von einem Kumpel an ferner Küste ...
    Der Mann im Strom , 1957
     
     
     
     
    Man muß daran denken, in welcher Weise sich Hamburg verbunden fühlte mit dem Wasser, in welcher Weise es seine Hoffnungen auf das Wasser setzte – hamburgisches Geschick war maritimes Geschick. Wenn die Kauffahrteischiffe die Elbe heraufkamen, bedeutete das Wohlstand für jedermann, partizipierte nahezu jedermann ... Man hat sich gesagt, wir müssen das investieren, weil wir zunächst konkurrenzfähig bleiben wollen. Wir leben von der Schiffahrt, die Elbe ist unsere Silberader, durch sie kommt der Reichtum herein.
    Wo die Möwen schreien ... , 1976
     
     
     
     
    ... dem kleinen, schwermütigen Monarchen sollte der Hafen gezeigt werden, er war der Stolz der großen Stadt, ihr Ruhm, ihre Schatzkammer seit alters; mit dem Hafen war verbunden, was Tradition hatte in der Stadt, washier galt und bedeutend war, und der Hafen war sehenswert, ohne Zweifel: das hatten schon frühere Staatsbesuche versichert. Ihn konnte man jederzeit vorweisen, er war ein rechtes Schaustück, ein bewegtes Panorama des Umsatzes, er war das Lieblingsgebiet der Stadt, er war ihre Geschichte, und er war auch ihr Geist.
    Der Mann im Strom , 1957
     
     
     
     
    Schwer ist es, in Hamburg einen Hamburger zu ertappen. Auf eiliger, auf oberflächlicher Suche trifft man nur Krebse, Pinneberger, Bergedorfer, man begegnet den genügsamen Bücklingen einer strebsamen Gesellschaft, Makrelen aus Stade, Ewerschollen aus Finkenwerder, Heringe aus Cuxhaven schwimmen in erwartungsvollen Schwärmen durch die Straßen meiner Stadt, Hummer bewachen mit geöffneten Scheren die Börse; Knurrhähne begeben sich zu einer Konferenz ins Rathaus, man begegnet dem Seelachs und dem Dornhai und verfolgt volkreiche Wanderungen von Dorschen, die zum Hafen hinabziehen. Der erste, sozusagen unbewaffnete Blick findet immer wieder den Meeresgrund, er fällt in Aquariumsdämmerung; das hat schon Heinrich Heine erfahren müssen, als er mit gebildetem Spott und talentierter Melancholie die Leute von Hamburg suchte. Da bot sich unwillkürlich ein maritimer Vergleich an: Hamburgauf dem Grund der See, und durch es hintreibend, es bewohnend und beherrschend, zeigte sich mannigfaltiges Seegetier.
    Leute von Hamburg , 1966
     
     
     
     
    Wenn man als Fremder zum erstenmal nach Blankenese kommt und dort spazierengeht, hält man es nicht für möglich, daß man in Norddeutschland ist, so südlich wirkt dieser kleine Ort.
    Nicht so unbedingt südlich, je weiter man dem Lauf der Elbe folgt, hinabschaut – da sieht man ein Grün, wie man es in Schweden findet, in Finnland und Norwegen, dieses intensive Grün, das hier so leuchtet gegen den

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