Wasserwelten
zu haben oder auch im Spalier, so, wie auch die Treppen und eisernen Niedergängezu haben sind, gut erhaltene von der Brücke, abgewetzte aus dem Maschinenraum.
Wir stiegen eine Treppe hinauf, und der Meister deutete auf angelaufenes Küchengeschirr, auf ausgediente Pütt und Pannen sozusagen: auch der Küche des Wracks schlug die letzte Stunde. Kein Smutje wird vermutlich in diesen Pfannen mehr braten, keiner der fleckigen Aluminiumtöpfe wird in der Dünung des Eismeers vom Feuer rutschen und dem Koch die Füße verbrühen. Ich fragte den Meister, ob auch die Küchengeräte des alten Dampfers ihre Kunden finden, und er bestätigte es, entsann sich, daß vor gar nicht langer Zeit eine Zigeunerfamilie erschienen war, um ihren Hausrat preiswert zu vervollständigen. Nichts geht verloren: die Pfanne, die dem Seemann seine Koteletts briet, wird jetzt dazu dienen, vielleicht ein Kaninchen für die musikalische Besatzung eines Planwagens zu schmoren. Und der Topf, in dem an Bord die Nudeln kochten, wird jetzt das Wasser wärmen, in dem ein quietschendes Zigeunerbaby gebadet wird.
Ich sah eine Kiste mit Flaggen und Wimpeln, einen Stapel sonnengebleichter Schwimmwesten, und in einer Ecke des Bodens lagen Kojengestelle und das dazugehörige Bettzeug. Würden auch sie einen Käufer finden? Würde es jemanden geben, der die Träume aufnahm, die unter diesen schweren, rot-weißen Oberbetten geträumt wurden?
Wir verließen den Schuppen mit all den tadellosen, erinnerungsreichen Gegenständen, traten wieder auf denPlatz der Abwrackwerft. Der Himmel war trübe, der Wind fiel in kurzen Böen ein. Ein seltsamer Geruch war in der Luft, in dem die Elemente Kohlendioxyd und Erbsensuppe vorherrschten. Wahrscheinlich kam der Geruch von dem schwarzen Zehntausendtonner herüber, der im Freihafen hinter den Halden lag.
Der Meister schien sich vergewissert zu haben, daß ich nicht ein treuherzig getarnter Späher der Konkurrenz war, und ruhig, mit diskreter Genugtuung, weihte er mich in ein Arbeitsprinzip dieser Werft ein, das den fünfundzwanzig Männern, die hier tätig waren, ihre Beschäftigung zu erhalten hilft. Es ist gewissermaßen das Prinzip des Fleischers, der das Tier ja nicht nur ausweidet, sondern einzelne Organe verwandelt, veredelt, etwas Neues entstehen läßt mit Hilfe von Gewürzen und Mischungen. Die Werft kann sich nicht damit begnügen, die gewonnenen Teile eines abgewrackten Schiffes liegen zu lassen, bis Käufer kommen – sie muß auch das alte Material verwenden, um etwas Neues daraus zu machen. Und so hat diese Abwrackwerft ihre eigene Tischlerei, ihre Gießerei und Schlosserwerkstatt, in denen gewonnenes Gut aus alten Schiffen aufbereitet wird.
Wir besuchten die Tischlerei. In einem Raum entstand eine Yacht-Kajüte, gefertigt aus wunderbaren, glatten Hölzern, die aus einem ausgedienten Schiff stammten. Für diesen Bau lag bereits ein fester Auftrag vor, und ich bewunderte Muster, Eleganz und Solidität der Kajüte. Hier wurden aber auch Duckdalben zu Latten und Kanthölzernverarbeitet, Rettungsboote repariert, steinharte Planken, die von den Wassern aller Meere überspült wurden, zu Nutzholz gemacht. Nichts geht verloren, denn auch für die Berge von Abfallholz gibt es feste Interessenten. In der Gießerei waren frischgegossene Barren gestapelt; sie wirkten nicht ganz rein. Da waren in die schmutzige Silberfarbe Messingfäden eingelaufen, doch sie besagten nichts, es waren lediglich Reste aus einem früheren Guß. Und in der Schlosserei wurde gefeilt und gebohrt, geschliffen und repariert, alle Schraubstöcke waren besetzt, und unter den kundigen Händen der Meister gewannen ausgediente Ritzel und Räder, Wellen, Leitungen und Tachometer neue Brauchbarkeit.
Auf diesem geschäftigen Friedhof, diesem von nüchternem Handelssinn zeugenden Schlachtfeld, war kein spektakulärer Wohlstand zu erwerben; von diesem Platz – das glaubte ich zu erkennen – floß den Bossen kein ähnlich herausfordernder Reichtum zu wie jenem drangvollen Werftherrn, der immer neue, immer modernere Schiffe baute, bis sein Imperium zerbrach, weil er nicht bedachtsam kalkuliert hatte. Bei unserem Geschäft hier, sagte der Meister, ist es schwer, sich eine »goldene Nase« zu machen.
In den ersten Jahren nach dem Krieg war es noch anders; denn damals ernteten sie Wracks in allen Tiefen und Gewässern. Und die untauglichen Schiffe, die ihnen zufielen, waren noch nicht so streng kalkuliert wie heute: sie boten mehr
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