Watch Me - Blutige Spur (German Edition)
nicht einfach ausbleiben würden und der Absender, wer immer es sein mochte, ihre Schande am Ende enthüllen würde.
Dem musste sie einen Riegel vorschieben – aber wie? Derjenige, der die Nachrichten hinterlassen hatte, hatte nicht den geringsten Hinweis auf seine oder ihre Identität hinterlassen. Karen hatte keine Möglichkeit, den Urheber ausfindig zu machen, sodass sie nicht einmal mit ihm in Kontakt treten und sich verteidigen konnte.
Langsam faltete sie das Blatt auseinander, um zu sehen, was er oder sie diesmal geschrieben hatte. Erwartungsgemäß war der Brief auf dem Computer geschrieben worden und nicht unterzeichnet. Die ersten beiden waren sehr kurz gewesen.
Ich weiß, dass Cain der Liebling der Lehrerin war… und Vermissen Sie Cain, Mrs Stevens? Träumen Sie noch davon, dass er nach der Schule Ihren Rasen mäht?
Diese hier war ein bisschen länger, aber noch schmerzlicher zu lesen.
Träumen Sie immer noch von Cain? Oder ist er inzwischen zu alt für Sie? Vielleicht sind das, was Sie wirklich wollen, eher die Jungs in Ihrer Klasse? Ich werde Sie bloßstellen. Passen Sie bloß auf!
Dass jemand glauben könnte, sie würde ihre Schüler missbrauchen, verursachte ihr Übelkeit. So war sie nicht, und sie verstand nicht, wie sie jemals einen so schrecklichen Fehler hatte machen können. Aber zumindest war es nur einmal vorgekommen. Sie redete sich ein, dass es überhaupt niemals passiert wäre, wenn sie sich wirklich für John interessiert hätte. Fünfzehn Jahre älter als sie, war er ihr damals zu alt für sie vorgekommen, zu bieder. Er hatte zwei Ehen hinter sich und fast erwachsene Kinder, während sie noch nicht einmal verlobt gewesen war. Als sie sich so hoffnungslos in Cain verknallt hatte, hatte sie sich gefühlt, als würde sie ihre eigene Highschoolzeit noch einmal durchleben. Dabei hatte sie gewusst, dass er ihr Interesse niemals erwidern würde.
Das war der jämmerlichste Teil gewesen. Vielleicht hätte sie ihr Handeln rechtfertigen können, wenn sie beide verliebt gewesen wären und Cain eine Beziehung angestrebt hätte. Aber nachdem sie einmal miteinander im Bett gewesen waren, war er derjenige gewesen, der sie abgewiesen hatte. Das hatte nur dazu geführt, dass sie ihn noch stärker gewollt hatte.
Sie hatte es nicht miteinander in Einklang miteinander bringen können, eine engagierte Lehrerin zu sein, die ihren Beruf liebte, und gleichzeitig eine verantwortungslose Erwachsene, die einen ihrer Schüler zu einer sexuellen Beziehung verführt hatte. Aus diesem Grund hatte sie Whiterock verlassen. Sie war nur zurückgekommen, weil John sie bei MySpace entdeckt und sie angefangen hatten, E-Mails auszutauschen. In all den Jahren, seit sie gegangen war, war er mit keiner anderen zusammen gewesen. Er sagte, er würde sie vermissen und dass er es noch einmal versuchen wollte, und ihr war klar geworden, wie sehr sie ihn vermisst hatte.
Sie war zurückgekommen und hatte gehofft, ihre Sache gut zu machen. Doch stattdessen hatte der Fehler, den sie zu vergessen versuchte, sie wieder eingeholt.
Sie faltete die Nachricht zu einem kleinen Dreieck zusammen. Sie musste ihren Mut zusammennehmen und ihre Nachbarn fragen, ob sie gesehen hatten, dass sich heute jemand ihrem Haus genähert hatte. Bei den letzten Malen hatte sie zu große Angst gehabt, sie zu fragen, und befürchtet, sie könnten in Zukunft aufpassen und die Nachricht an sich nehmen. Aber vermutlich musste sie dieses Risiko einfach eingehen.
Es klingelte an der Tür, und Karens Herz schien plötzlich in ihrer Kehle zu sitzen. Es war vier Uhr. John war früh dran.
Sie sprang auf, rannte ins Schlafzimmer und versteckte den Brief in der Schublade mit ihrer Unterwäsche. Sie würde ihn später verbrennen, wie die anderen. Jetzt musste sie sich erst einmal beruhigen und so normal wie möglich wirken. Doch das war nicht leicht. Sie liebte John und konnte den Gedanken nicht ertragen, ihn zu verlieren.
Welch eine Ironie …
„Karen?“ John klopfte an die Tür.
Sie holte tief Luft, streckte den Rücken durch und machte ihm auf. „Hi.“
Er schenkte ihr ein kleinlautes Lächeln. „Hast du meine Nachricht erhalten?“
Er hatte sie angerufen, um ihr zu sagen, dass es ihm leidtäte wegen Sonntag. Er sei immer leicht gereizt, wenn Cain in der Nähe sei, aber bei diesem Abendessen sei er besonders nervös gewesen. Aus unterschiedlichen Gründen hatten sie beide ziemlich empfindlich reagiert, weil Cains Nähe sie beide unter Stress gesetzt
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