Watermind
ich sagen, dass Ihr kleiner Schützling gerade in die Pubertät gekommen ist.« Er drückte sie mit dem Ellbogen weg, um an die Maus zu gelangen. Er stank nach ungewaschenem Mann. »Das Witzige daran ist, dass die Menschen am Fluss nicht mehr als eine kleine Turbulenz davon mitbekommen werden.«
CJ stieß mit der Hüfte gegen ihn. »Können diese Satelliten nicht schneller arbeiten?«
Der nächste Scan ließ sie beide verstummen. Die Ballungen waren zerrissen. Alle achtzig Teilkolloide explodierten. In Infrarotfalschfarben lösten sich die tiefblauen Kleckse in wild umherspritzende Tröpfchen auf. CJ biss sich auf den Daumen und schmeckte Blut.
Das folgende Bild veranlasste sie beide, sich gleichzeitig vorzubeugen, wobei sie fast den Laptop umgeworfen hätten. Die Szene hatte sich wieder verändert. Die Ballungen zogen sich nun zusammen. Innerhalb weniger Sekunden hatte sich die Explosion umgekehrt. Die Tröpfchen fielen nach innen, strömten wieder zusammen und verdunkelten das Zentrum. CJ raufte sich die Haare. Während die Zeit unerträglich langsam verging, warteten Peter und sie auf den nächsten Scan. Er zeigte, dass sich die Fragmente wieder zu einer Masse vereinigt hatten. Der titanblaue Fleck sammelte sich im Flussbett und war fast einen Kilometer lang.
»Wahnsinn! Das Ding hat eine Evolution vollzogen!« Peter berechnete das neue Flüssigkeitsvolumen des Kolloids und ließ die Zahl auf dem Bildschirm erscheinen. CJ fiel vom Stuhl.
Er tippte ein paar Befehle ein, um die elektromagnetischen Sensoren zu aktivieren, dann rutschte er ein paar Zentimeter zur Seite, um auf dem Stuhl Platz für CJ zu machen. »Ich wette, dass dieses Vieh jetzt eine ganz neuartige elektronische Struktur hat.«
CJ stand auf und quetschte sich auf den viel zu engen Sitz, um den Bildschirm zu studieren. Auf jeden Fall war das elektromagnetische Feld exponentiell größer und stärker geworden als vor dem Angriff bei Manchac Point. Unsichtbare Kraftfeldlinien erhoben sich aus dem Fluss und strichen an beiden Ufern entlang, ein Kegel aus immaterieller Energie. Die Größe verblüffte Peter und CJ.
Peter überprüfte die Temperatur. »Es hat sich wieder abgekühlt, um gute zehn Grad. Es saugt gewaltige Mengen Wärmeenergie auf.«
CJ kaute auf einem Fingernagel. »Könnte es eine weitere Freisetzung planen?«
»Ich glaube nicht, dass es für die Rente spart. Verdammt, ich würde einiges geben, um eine neue Probe zu bekommen.« Peter klopfte mit dem Fingerknöchel gegen den Bildschirm.
Dann nahm er die Brille ab. Sein verletztes Auge tränte immer noch. Er wischte sich die verschmierten Gläser am Sweatshirt sauber. »Ist Ihnen aufgefallen, dass der Schiffsverkehr hier recht stark ist? Öltanker. Chemiefrachter. Wir kommen New Orleans immer näher. Wenn dieses Ding eine neue Oszillationswelle erzeugt, können wir noch etliche Todesopfer mehr auf die Liste setzen.«
CJ musterte die Schiffe auf dem Fluss durchs Bullauge. Die Yacht und der Bojentender folgten dem Kolloid dichtauf und machten sich bereit, darüber hinwegzufahren. Peter hatte offenbar den gleichen Gedanken wie sie. »Ja, das wäre unsere Chance, den Eimer zu versenken.«
94
Samstag, 19. März, 17.47 Uhr
Die Heizlüfter auf der Brücke der Pilgrim ließen die Fenster beschlagen. Der Atem der Menschen erzeugte eine Atmosphäre wie in einer Sauna. Roman stand neben dem Ruder und murmelte ständig etwas in sein Headset. Mit gleichmäßiger Stimme erzählte er Lügen, unternahm Bestechungsversuche, sprach Drohungen aus, versprach Wunder. Venen pulsierten auf seiner Stirn, und er ging auf und ab wie ein Gefangener in seiner Zelle. Er versuchte immer noch, eine endlose Kette von Bürokraten davon zu überzeugen, das Wehr zum Überlaufkanal zu öffnen. Und jeder auf der Brücke war insgeheim erleichtert, dass er jetzt wieder der Alte war.
Durch die getrübten Fenster zogen Schmierflecken in Braun, Grau und Grün vorbei. Schleppzüge, Fischtrawler und riesige Öltanker ankerten an der Steinschüttung, um ihnen Platz zu machen. Aus dem Funkgerät drangen bösartige Beschwerden, und am Himmel kreisten Nachrichtenhubschrauber wie abwartende Geier.
Auf der Brücke der Pilgrim zappelte Rick Jarmond wie ein kleiner Junge vor seinem ersten Baseballspiel – sie hatten tatsächlich vor, den Bonnet-Carré-Überlaufkanal zu öffnen! Neben ihm richtete Kapitän Ebbs sein Fernglas auf die Deichstraßen mit den Schaulustigen. Ein älteres Ehepaar schwenkte einen Camcorder. Eine
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