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Watermind

Watermind

Titel: Watermind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M.M. Buckner
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neutralisieren, bevor es weiteren Schaden anrichten konnte. Für dich, Max. Sie sah zu, wie der Kormoran erneut tauchte.
    Roman beobachtete den leuchtenden Flussabschnitt. Er glaubte beinahe, das Kolloid summen zu hören. Er hatte Vaarveen angewiesen, am vorderen Rand des Schleims auf Posten zu bleiben und Messungen vorzunehmen. Vaarveens letzte Probe hatte gezeigt, dass das Kolloid zu etwas völlig Neuem mutiert war.
    In der Schwebe zwischen Eis und Flüssigkeit hatte es sich zu einem ›Metamaterial‹ entwickelt, einer so komplexen Substanz, dass sie ansonsten unmögliche physikalische Eigenschaften hervorbringen konnte, zum Beispiel negative Lichtrefraktion. Die Computerchips und Mikroben, der Pflanzenzucker, das FCKW und die vielen anderen suspendierten Partikel hatten sich so gründlich vermischt, dass sie nicht mehr als einzelne Komponenten erkennbar waren. Und das Volumen des gelösten Eisens hatte sich gewaltig vergrößert.
    Roman fuhr sich mit den Fingern durchs lange Haar und beobachtete, wie Reilly finster die Seevögel anstarrte. Reilly behauptete, das Kolloid würde sich mit Hilfe des Eisens fortbewegen. Sie sagte, das neuronale Netz würde die magnetische Lösung lenken, indem es sein elektromagnetisches Feld rhythmisch veränderte. Vielleicht hatte sich der pícaro auf diese Weise an den Schiffen verankert. Wie sonst konnte das Ding in der Lage sein, sich der Kraft des reißenden Stroms zu entziehen?
    Er musterte Reillys milchweißes Gesicht. Hinter diesen Anglo- Augen arbeitete eine erstaunliche Intelligenz. Er zählte die Schmutzstreifen an ihren bloßen Knien. Sie war auf unheimliche Weise klug. Aber genauso war es mit dem Kolloid.
    Ein Horn tutete im unbeständigen Wind, und Roman drehte sich um. Ein hellerleuchteter Boston Whaler stampfte durch das schwarze Wasser auf sie zu. Auf den Aufbauten glänzte das rot-weiße Burgsymbol des Ingenieurcorps der US-Armee, und auf der Brücke stand der Mann, mit dem sich Roman am sehnlichsten treffen wollte. Joshua Lima, der Distriktingenieur von New Orleans. Sie hatten per Telefon und E-Mail kommuniziert, aber Roman brauchte den persönlichen Kontakt, um seinen Argumenten Nachdruck zu verleihen. Ein Wort von Colonel Lima in den richtigen Ohren würde sofort den Bonnet-Carré-Überlaufkanal öffnen.
    Roman berührte CJ an der Schulter, und ihre Blicke trafen sich. »Wir müssen alles tun, um es hier aufzuhalten.«
    Wasser zischte durch die Holzpflöcke. Sie schluckte den Geschmack von kaltem Metall hinunter, der sich wie die Mündung einer Pistole gegen ihren Gaumen drückte. »Dann wollen wir es tun.«

98
    Sonntag, 20. März, 6.03 Uhr
    Die Frühlingstagundnachtgleiche dämmerte klar über dem Süden von Louisiana. Leichter Westwind. Temperaturen um die fünfzehn Grad. Ein guter Tag, um den Gottesdienst ausfallen zu lassen und einen Ausflug zu machen. Diese Idee musste wie eine Wolke von Memen durch St. Charles Parish gezogen sein, denn Männer, Frauen und Kinder trafen scharenweise am Bonnet-Carré-Überlaufkanal ein und kamen mit Angelsachen, Picknicktaschen und neugierigen Augen.
    Ranger Robert Dréclare stand oben auf dem Wehr und überblickte das Panorama seiner dreitausend Hektar. Er konnte den kleinen blauen Bach sehen, der sich auf den hellfunkelnden Lake Pontchartrain am Horizont zuschlängelte, zehn Kilometer entfernt. Er zog sich die Krempe seines Wildhüterhuts etwas tiefer über die Augen und schlenderte über den Steg auf dem Wehr, wobei er die Autoschlangen auf den Zugangsstraßen beobachtete. Colonel Lima hatte ihm befohlen, den Bereich des Überlaufkanals so schnell wie möglich zu evakuieren, aber wie sollte er das anstellen? Er hatte nur sich selbst, seinen Wartungstechniker und drei ausgeborgte Deputys des Sheriffs, um Tausende von Schaulustigen zu vertreiben – eine Menschenmenge, die sich nicht vertreiben lassen wollte. Alle wollten die große Show sehen. Das Ingenieurcorps würde den Überlaufkanal öffnen.
    Einen knappen Kilometer vom Wehr entfernt konnte Dréclare das Halbrund aus Sandsäcken sehen, das die Leute seit Mitternacht aufgeschichtet hatten. Drei Hubschrauber des Corps waren immer noch damit beschäftigt, Transportnetze voller Sandsäcke aus dem Lager in New Orleans herbeizuschaffen. Aus dieser Distanz wirkte der Damm winzig, aber er war trotzdem ein Wunder, was die Geschwindigkeit und Logistik betraf, mit der man ihn errichtet hatte.
    Am Boden drängten sich Lastwagen und Kräne, die den Damm auf einer Seite mit blauen

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