Watermind
war das Büro in Miami – Termine mussten verschoben und Flüge umgebucht werden. Es sehnte sich nach einem starken Espresso, aber noch viel mehr brauchte er den Laborbericht. Warten zu müssen machte ihn nervös.
Algenfäden hefteten sich an den Zweig, als er im Teich rührte. Er wollte unbedingt wissen, welche Schadstoffe in seinen Sumpf eingedrungen waren. Wenn diese Flüssigkeit tatsächlich Eis bilden konnte, welche ungewöhnliche chemische Reaktion hatte dann die Wärme absorbiert?
Die Frage faszinierte ihn, aber er musste sich dringend um andere Geschäfte kümmern, und dieser Teich stand gar nicht auf seinem Terminplan. Die Algenfäden bewegten sich im Wasser wie die Haarsträhnen eines toten Mädchens.
Dr. Harriman Reilly hatte an der Universität von Buenos Aires Vorlesungen gehalten. Roman erinnerte sich noch gut an ihn. Ein strenger, brillanter Mann mit durchdringenden haselnussbraunen Augen – mit solchen Augen musste Luzifer zu Gott aufgeschaut haben. Roman hatte nicht gelogen, als er gesagt hatte, dass die kleine Reilly ihrem Vater ähnelte. Sie hatte ihn einen Lügner genannt. Er riss die Algen an den Wurzeln aus und lächelte beinahe. Man hatte ihm schon schlimmere Bezeichnungen an den Kopf geworfen.
12
Donnerstag, 10. März, 17.32 Uhr
Dan Meir unterzeichnete die Papiere für die Überführung von de Silvas Leichnam zu seiner Familie nach Oaxaca. Als Todesursache war ›Unfall‹ vermerkt, ohne genauere Angaben. Der örtliche Leichenbeschauer war ein alter Angelfreund von Dan, also hatten sie gemeinsam die Einzelheiten ausgearbeitet.
Elaine Guidry, die Personalchefin, saß in der Nähe und adressierte einen braunen Briefumschlag. Zusammen mit dem Beileidsschreiben hatte Meir einen Scheck über 20.000 Dollar für de Silvas Frau ausgestellt. Er wollte noch mehr schicken. Zeitarbeiter hatten im Todesfall keinen Anspruch auf Versicherungsschutz, aber Meir hatte festgestellt, dass sein Etat noch nicht ausgeschöpft war.
Er griff nach seiner Zigarrenkiste, überlegte es sich dann aber anders. Warmes, sepiafarbenes Licht drang durch das Fenster herein, und Möwen kreisten über dem Kanal auf der Suche nach Krebsen. Ihre Rufe klangen friedlich. Halkyonische Tage – ein Begriff, den er auf einem von Elaines Parfümflakons gelesen hatte.
»Das wär's«, sagte Elaine, als sie die Papiere auf einen Stapel legte und gemeinsam mit dem Scheck in den Umschlag steckte.
Dan betrachtete sie, als sie aufstand, um die Kopien abzuheften. Elaine war seine Stellvertreterin bei Quimicron. Sie arbeiteten seit Jahren eng zusammen, und an Tagen wie diesem redeten sie manchmal davon, sich aus dem Berufsleben zurückzuziehen. Er könnte vielleicht Angler zu den Flüssen im Sumpf führen, sie könnte ein Wellnessbad eröffnen. O ja, manchmal träumten sie gerne.
Elaines Rundungen waren für Dan ein wohltuender Anblick. Sie hatte Sonnenbankbräune, messingfarbene Locken und stahlblaue Augen. Er mochte vor allem ihren Hintern. Sie bemerkte seinen Blick und beugte sich zum Ablageschrank hinunter. Sie nahm eine Flasche Jack Daniels heraus, schenkte zwei Gläser ein und reichte ihm eins.
»Danke, Liebes.« Er hielt das Glas, ohne zu trinken.
»Rory arbeitet da draußen in drei Schichten«, sagte sie. »Wissen wir in der Zwischenzeit mehr?«
Sie stellte sich hinter seinen Stuhl und massierte seine verspannten Schultern. Sie verglich ihn gerne mit Clint Eastwood, mit seinem grauen Haar und den stets leicht zusammengekniffenen Augen, nur kleiner. Er traf sich seit sechzehn Jahren heimlich mit Elaine. Obwohl er eine Frau, zwei erwachsene Kinder, Dutzende von Freunden und seit kurzem ein Enkelkind hatte, verstand niemand so gut wie Elaine, wie sehr ihm die Dinge ans Herz gingen.
Normalerweise versuchte sie ihn von seinen Sorgen abzulenken, aber heute herrschte eine unangenehme Spannung in der ganzen Firma. Es wurde über de Silvas seltsamen Tod in unnatürlichem Eis gemunkelt. Auf den Fluren von Haus 2 standen die Leute in Grüppchen zusammen und tuschelten. Sitzungen wurden abgesagt. Gesunde Leute meldeten sich krank. Und am Morgen hatte ein Programmierer versucht, eine Handwaffe am Sicherheitsposten vorbeizuschmuggeln. Er behauptete, es sei zur Selbstverteidigung.
Statt also ihren Liebhaber mit lustigen Geschichten und Klatsch abzulenken, musste Elaine immer wieder die Frage stellen: »Dan, wissen wir mehr?«
Aber seine Antwort war alles andere als beruhigend. Er kippte die Hälfte des Whiskys hinunter und sagte:
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