Watermind
»Nicht das kleinste bisschen.«
13
Donnerstag, 10. März, 21.05 Uhr
Roman Sacony. CJ hatte Geschichten über den Chef von Quimicron gehört. Es hieß, er hätte ein Penthouse im Zentrum von Miami, wo er Kabinettsmitglieder und Admiräle mit jungen Damen unterhielt. Abgefeimt, das dachte sie von ihm. Verschlagen. Aber dieses Bild passte nicht zu dem ernsten Mann, der neben ihr im Labor arbeitete.
Er trug einen weißen Kittel und Latexhandschuhe und ging mit der Ausrüstung um, als wäre das Labor sein zweites Zuhause. Schon in der Schule hatte er sich sehr für Naturwissenschaften interessiert und wollte nicht aus der Übung kommen, erzählte er ihr. Doch so, wie er sie antrieb, ging sie davon aus, dass er die Ergebnisse so schnell wie möglich haben wollte. Roman Sacony gab sich glatt wie Glas, doch sie vermutete, dass er ein paar scharfe Kanten verbarg.
Der ungepolsterte Laborstuhl schnitt ihr die Durchblutung im Hintern ab, und die klimatisierte Luft fühlte sich trocken an. Sie reckte und streckte sich und stieß mit dem Ellbogen gegen die Reagenzglashalterung. Roman schaute kurz auf. Das Teichwasser in den Gläsern schwappte wie Perlmuttmilch.
Er wandte sich wieder seiner Arbeit zu und hantierte mit dem Lasernephelometer, um die Partikelsuspension des Wassers zu prüfen. Sein dunkles Profil warf einen schmalen Schatten an die Wand, als er das Streulicht maß, das durch einen Tropfen fiel. Sie sah, wie er sich Notizen auf einem Klemmbrett machte.
So schlank und drahtig, wie er war, trieb er bestimmt Sport. Sie warfen sich Seitenblicke zu. CJ sah zuerst weg.
Ihre Hände schwitzten in den enganliegenden Latexhandschuhen. Fasziniert von dem Rätsel, hatten Roman und sie stundenlang gearbeitet. Sie hatte die Probe mit einer Technik analysiert, die FAIMS genannt wurde, eine Variante der Ionenmobilitätsspektrometrie. Aber der Test war ermüdend. Die Elektrode befand sich in einem kleinen Messbecher mit der perlweißen, gallertartigen Substanz, und während sie nach Ionen durchgescannt wurde, zeigte der Bildschirm ständig die gleichen langweiligen Liniendiagramme. Ihre Augenlider wurden schwer. Sie spielte mit dem Reagenzglashalter neben sich. Ein paar der Proben schienen gefroren zu sein.
Neugierig beugte sie sich näher heran. Wenn sie eins der Gläser in die Hand nahm, verwandelte sich das Eis wie durch Magie in Flüssigkeit. Hatte sie das Eis geträumt? Nein. Zwei weitere Gläser schimmerten noch immer beschlagen. Sie legte die Wange auf die Tischfläche, um sich die Reagenzgläser ganz aus der Nähe anzuschauen. Hübsche Arabesken aus Eis hatten die Glaswände mit fraktalen Farnblattmustern und Windrädern überzogen, die sie an ihre Wintermorgen in Vermont erinnerten, wenn sie in ihrem zugigen Internatsschlafsaal aufgewacht war, um zu sehen, wie Väterchen Frost die Fensterscheiben verziert hatte. Die Glaszylinder beschlugen von ihrem Atem und wurden weiß.
»Schauen Sie sich das mal an!«, rief sie Roman zu, doch als sie wieder hinsah, war das Eis geschmolzen.
»Was?«, fragte er.
Sie richtete sich auf und rieb sich die Augen. »Entschuldigung, ich dachte, ich hätte etwas gesehen. Mein Fehler.«
Mit einem leichten Stirnrunzeln wandte er sich wieder seiner Untersuchung zu.
Das Labor hatte keine Außenfenster, so dass es schwer war, die Zeit zu schätzen. CJ hatte ihre Uhr vergessen, aber weil ihr beim Gedanken an Käsepizza das Wasser im Mund zusammenlief, musste es schon spät sein. Über ihr trommelten Regentropfen auf das Dach von Haus 2.
Sie rieb die juckende Nase und sah, dass Roman schrieb. Schon seltsam, dachte sie, wie schnell sich das Leben ändern konnte. Gestern noch hatte sie toxischen Schlamm in Tonnen geschaufelt, und heute verbrüderte sie sich mit einem sexy Geschäftsführer in einem hochmodern ausgestatteten Labor. Doch sie hatte nicht die Absicht, ihm dabei zu helfen, Gewinn aus dem Gemisch zu schlagen. Was auch immer diese Substanz war, sie bildete sich spontan. Sie gehörte niemandem.
Sie nahm ein Teströhrchen und schüttelte es, bis es schäumte. Etwas in diesem Kolloid konnte durch Gefrieren sauberes Wasser hervorbringen. Sie bestaunte diesen Vorgang, den kein menschliches Gehirn erdacht hatte. Ein Wunder der Natur – sofern man den großen Abfallstrom als Teil der Natur betrachtete. Von Rechts wegen sollte die Formel als frei verfügbare Shareware behandelt werden, zugänglich für die Allgemeinheit. Deshalb hatte sie diese Aufgabe angenommen – um dafür zu sorgen,
Weitere Kostenlose Bücher