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Watermind

Watermind

Titel: Watermind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M.M. Buckner
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frische, reine Klarheit tauchte, bemerkte sie zunächst gar nicht, dass ihre Haut brannte.
    Säure? Sie schrie auf und riss die Hand zurück. Im Licht der Morgendämmerung sah die Haut rot aus, aber es hatten sich keine Blasen gebildet. Das Wasser war einfach nur kalt.
    Vorsichtig schob sie noch einmal die Finger hinein – und keuchte überrascht. Das Wasser in der Absperrung fühlte sich eisig an. Die Kälte stieg in Wellen empor, als wäre dies ein artesischer Brunnen, der in direkter Verbindung mit der Antarktis stand. Es roch sauber, ein extremer Kontrast zum üblen Gestank des Kanals. Die Tröpfchen, die an ihrem Arm herunterrannen, fühlten sich wie wachsende Eiszapfen an.
    Als sie den Oberkörper auf den Balken hievte, drückte sie den Vorhang unter die Oberfläche, und für einen Moment tauchte auch sie ganz unter. Reines Wasser umschloss sie. Es spülte durch ihr Haar und kitzelte ihre Haut, und die Kälte schmerzte und beruhigte sie gleichzeitig. Als der Balken sie wieder nach oben drückte, nahm sie einen feuchten Atemzug, der nach Parfüm schmeckte. Die klare Flüssigkeit reizte und erregte sie, und sie kam sich vor wie in einem seltsamen Tagtraum. Ohne zu wissen, warum, spürte sie, dass das Kolloid sie wiedererkannte. Sie hockte sich rittlings auf den Balken.
    Unter dem lachsfarbenen Himmel schaukelte sie hin und her, den Vorhang unter sich, und ließ sich von schaumigen Blasen einhüllen. Das kalte berauschende Wasser hatte etwas schmerzhaft Köstliches. Sie vergaß, wo sie sich befand. Sie bewegte sich vor und zurück und klemmte den Balken zwischen ihren Schenkeln ein. Dort spürte sie eine cremige Feuchtigkeit. Ihre Lust steigerte sich, je mehr milchige Emulsion über ihren Unterleib wusch. Als sie die Zuckungen des Orgasmus spürte, biss sie die Zähne zusammen, während das flüssige Eis sie in rhythmischen, sinnlichen Wellen durchströmte.
    Nachdem ihr Höhepunkt abgeebbt war, lag sie auf dem Balken, als würde sie in einer Hängematte ruhen, und ließ sich kühles Wasser über das Gesicht spülen. Sie bemerkte kaum, wie die seifige weiße Emulsion durch den Kanal davontrieb.
    Unvermittelt setzte sie sich auf und blickte sich um, weil sie sich Sorgen machte, dass jemand sie beobachtete. So etwas hatte sie noch nie in der Öffentlichkeit getan. Sie schämte sich und bekam Angst. Vielleicht hatte sie sich das Ganze nur eingebildet. Als sie auf das Feldmessgerät blickte, stellte sie fest, dass sie sich am Rand eines starken Energiefeldes befand, das sich langsam in Richtung Westen entfernte. Sie überlegte, ob der Magnetismus ihr Gehirn beeinflusst hatte.
    Sie schüttelte den Kopf, um ihre Gedanken zu klären, und löste ein anderes Instrument vom Gürtel, einen kleinen, wasserfesten MP3-Player, den man unter der Dusche benutzen konnte. Sie hatte ihn bereits auf Max' Zydeco eingestellt. Sie setzte den Kopfhörer auf, um sich zu vergewissern, dass er funktionierte. Sie hörte den treibenden Rhythmus und Max' sonoren Bariton, der laut und fröhlich sang.
    »Max«, flüsterte sie.
    Sie versenkte den Player an einer Angelschnur in der Absperrung, und als sich die Musik durchs Wasser fortpflanzte, beobachtete sie, ob das Feldmessgerät eine Veränderung registrierte. Diese Idee war völlig verrückt. Harry hätte sich tagelang über sie lustig gemacht. Aber hatte der Teich nicht schon einmal den Zydeco-Rhythmus nachgeahmt?
    Musik war eine Art numerischer Code, überlegte sie, wie eine Computersprache. Es konnte durchaus sein, dass ein aktives neuronales Netz versuchte, damit zu interagieren. Falls sie tatsächlich eine Reaktion bemerkte, wäre bewiesen, dass der mikroelektronische Müll aktiv war. So verrückt war ihr Experiment gar nicht. Es konnte ein interessantes Resultat erbringen.
    Sie hoffte sogar auf eine plötzliche, blitzartige Offenbarung. Das Kolloid musste mehr sein als ein unwahrscheinlicher Zufall. Sie wollte, dass es eine intelligente Antwort auf den Zydeco sendete, um zu beweisen, dass es zur sinnvollen Kommunikation fähig war. CJ sehnte sich nach dem Quantensprung, nach der großen Entdeckung. Sie wollte, dass das flüssige Chamäleon ihr hallo sagte.
    »Harry, schau mich nicht so tadelnd an!«, murmelte sie.
    Halb untergetaucht auf dem PVC-Balken hockend, hielt sie das Feldmessgerät in der Hand und wartete auf ein Zeichen – bis ein Mann von der Nachtwache einen Taschenlampenstrahl auf sie richtete und sie abtauchen musste.

40
    Montag, 14. März, 8.12 Uhr
    Eine Gewitterfront

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