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Watermind

Watermind

Titel: Watermind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M.M. Buckner
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Nächstes tun sollte.
    Im glühend heißen Zwielicht unter dem Beton schmolz grauer Schaum wie der letzte Schnee des Winters, und tote Blätter schwammen auf Wellen aus reglosem Matsch. Sie spürte eine teilnahmslose Leere. Die Schockwellen hatten aufgehört. Der Kanal fühlte sich leblos an. Während ihres Kampfes gegen das Gestrüpp hatte sie sich vorgestellt, wie das Kolloid den EMP überlebt haben könnte. Doch jetzt waren ihre Wünsche verstummt.
    Sie konnte beinahe die Sahneschicht aus toten Mikrochips auf dem Wasser treiben sehen. Der geheimnisvolle Einfluss, der sie synchronisiert hatte, war zweifellos zu empfindlich gewesen, als dass er die mehrfachen Pulse überstanden haben könnte. Sie hasste Quimicron, sie hasste Roman, sie hasste Yue. Sie zerdrückte feuchten Matsch in den Fäusten und stellte sich brutale Racheakte vor.
    Genau über ihr stieß Yue ein herzhaftes Lachen aus. Dann gähnte jemand. CJ war plötzlich wieder hellwach und lauschte.
    »Warum stellt der Mistkerl mein wissenschaftliches Urteil in Frage?«, sagte Yue.
    Peter Vaarveen antwortete im näselnden New-York-Dialekt. »Lass mich nachdenken. Könnte es sein, weil unsere einzige noch vorhandene Probe nutzlos ist?«
    »Ich pfeife auf die Probe. Er behandelt mich wie eine Sklavin«, sagte Yue.
    »Ich habe dir doch gesagt, dass wir uns überzeugen sollten, dass sie einen lebenden Strang enthält«, erwiderte Peter.
    Yues Schritte wanderten hin und her. »Hol mir ein Selters. Mit Eis.«
    »Ich verachte Louisiana.« Peters lange Schritte entfernten sich.
    Dann nahm Yue einen Anruf auf ihrem Handy an. »Ja, ja. Es ist tot. Ich habe es Ihnen doch gesagt.«
    Danach Schweigen. CJ hörte, wie etwas klappernd auf den Kai fiel. Yue musste ein Metallwerkzeug weggeworfen haben. »Völlig richtig, Roman. Die neue Probe ist inaktiv. Es tut mir sehr leid, dass Ihr charmanter Schützling nun doch keinen Nobelpreis bekommt.«
    Yue klappte ihr Handy zu. »Mit vorzüglicher Hochverachtung«, brummte sie und stapfte davon.
    Unter dem Kai, drückte sich CJ die Fingerknöchel zwischen die Zähne, um einen Schrei zu ersticken.

59
    Mittwoch, 76. März, 19.19 Uhr
    Sie wachte von Musik auf. Blasinstrumente, Trompeten, Streicher. Vibrierende, trillernde Töne. Sie hörte einen perlenden dreifachen Walzer, der wie Wasser über Steine floss, sich in Stromschnellen beschleunigte und in Strudelbecken wirbelte. Als sie die Augen öffnete, spritzte ihr nasser Schlamm ins Gesicht. Es regnete.
    Erschrocken setzte sie sich in der Finsternis auf und kramte in ihrem durchnässten Rucksack nach der Taschenlampe. Aber sie funktionierte nicht. Der EMP. Ja, sie erinnerte sich. Trillionen Tröpfchen platschten mit leisem Geplapper in den feuchten Matsch. Wie ein brabbelndes Baby. Ihre Augen wurden warm. Jetzt erinnerte sie sich an alles. Das Kolloid war tot.
    Sie zog sich noch tiefer unter den Kai zurück, um sich vor dem Wetter zu schützen. Sie benutzte ihren Rucksack als Kopfkissen, rollte sich zusammen und schloss die Augen, um alles wieder zu vergessen. Konnte der Tod auch schnell und einfach so kommen? Wenn sie die Augen lange genug geschlossen hielt, würde die Welt vielleicht für immer verschwinden. Aber ihr junger Körper war ausgeschlafen. Ihre Gliedmaßen verlangten nicht mehr nach Ruhe, und ihr Geist wollte nicht mit dem Denken aufhören. Sie setzte sich auf und lehnte sich gegen einen Pfosten.
    Was jetzt? Mexiko? Das sonnige Land hatte für sie jeden Reiz verloren. Jede Möglichkeit kam ihr langweilig und sinnlos vor. Sie hatte genug vom Davonlaufen – und doch gab es keinen Grund mehr, hierzubleiben. Sie gehörte nirgendwohin. Mit einem erstickten Lacher erinnerte sie sich, wie sie davon geträumt hatte, Waisenkinder in der Dritten Welt mit sauberem Wasser zu retten. Sie. Ein Niemand.
    Sie konnte nach Boston zurückkehren und ihr Studium abschließen. Als Harriman Reillys Tochter würde sie es problemlos schaffen, wieder vom MIT angenommen zu werden, aber diese Vorstellung bereitete ihr Übelkeit. Es wäre die Rückkehr der reumütigen Sünderin. Sie stellte sich einen Namen vor, der auf einen Briefumschlag geschrieben war. Carolyn Joan Reilly. Wahrscheinlich benutzte ihre Mutter diesen Namen gar nicht mehr. Sie hatte sich noch nie so niedergeschlagen gefühlt.
    Nach einiger Zeit hatten sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt, und sie kramte zwischen den nutzlosen elektronischen Geräten in ihrem Rucksack. Sie fand eine einsame M&M-Tüte und riss sie mit den

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