Watersong - Sternenlied (German Edition)
das zu verzichten. Sie musste wenigstens versuchen, eine Möglichkeit zu finden, wie sie hierbleiben konnte.
Allerdings hatte sie kaum Schlaf gefunden. Sie hatte wach in ihrem Bett gelegen und sich die ganze Nacht hin und her gewälzt. Das Meer rief nach ihr, fast wie mit einem Lied. Die Wellen lockten sie, und Gemma musste ihre gesamte Energie aufwenden, um ihrem Sog zu widerstehen.
Am Morgen hatte Levi ihr noch eine Standpauke gehalten, weil sie das letzte Training verpasst hatte, doch ihre Zeiten waren so überragend gewesen, dass er nicht allzu sehr mit ihr schimpfen konnte. Trotzdem machte das Schwimmen im Becken längst nicht mehr so viel Spaß wie früher, weil das Chlor ihre Haut reizte. Sie bekam keinen Ausschlag, aber sie konnte fast spüren, wie es scheuerte und wie kratzendes Sackleinen an ihr rieb. Sehnsüchtig wartete sie auf das Ende des Trainings.
Dank ihrer fantastischen Zeiten konnte sie den Trainer davon überzeugen, sie etwas früher gehen zu lassen. Da Harper sie am Morgen hergefahren hatte, würde sie sie sicher auch wieder abholen wollen, und das musste Gemma unbedingt verhindern. Sie wollte die Sirenen treffen.
Leider wusste sie nicht genau, wo die drei sich herumtrieben. Wenn das Meer ebenso nach ihnen rief wie nach ihr, waren sie vermutlich irgendwo in der Nähe der Bucht.
Harper hatte heute frei und konnte überall unterwegs sein. Deshalb versuchte Gemma, sich unauffällig durch die Stadt zu schleichen, und schlug einen großen Bogen um Harpers Lieblingsplätze wie den Hafen und die Bücherei.
Auf dem Weg zum Meer stieß Gemma dann zufällig auf die Sirenen. Sie wollte eigentlich am Zypressenwäldchen vorbei zur Felsenküste gehen, weil dort kaum Leute waren, und von dort zur Schmugglerhöhle schwimmen, doch sie kam nur bis zum Strand.
Es war heiß, darum tummelten sich zahlreiche Touristen und Einheimische am Meer. Dennoch waren die Sirenen nicht zu übersehen. Gemma stand auf dem grasbewachsenen Hügel hinter dem Strand, den Blick auf die Bucht gerichtet, und entdeckte die drei Mädchen sofort in der Menge.
Alle drei trugen Bikinis und präsentierten ihre Reize. Penn lag bäuchlings auf einem Handtuch, Lexi hatte sich auf die Ellbogen gestützt und flirtete mit einem älteren Kerl, der neben ihr stand. Thea wirkte wie immer von allem gelangweilt und lag, in einen eselsohrigen Vampirroman vertieft, in einer Strandliege.
Gemma bahnte sich einen Weg durch die Menge, um zu ihnen zu kommen, wobei ihr auffiel, dass sie kaum drängeln musste. Die Leute machten ihr freiwillig Platz, so wie sie es für Penn und ihre Freundinnen auch taten.
Man behandelte sie bereits, als würde Gemma zu ihnen gehören.
» Du stehst mir in der Sonne « , sagte Penn, als Gemma vor ihr stand.
» Ich muss mit euch reden. « Gemma verschränkte die Arme und schaute auf sie hinab.
» Hallo, Gemma. « Lexi schaute sie an, die Hand schützend über die Augen gelegt. » Du siehst toll aus. «
» Danke, Lexi « , erwiderte Gemma kurz angebunden, hielt den Blick jedoch auf Penn gerichtet. » Hörst du mich? «
» Ja, du willst reden. « Penn hatte sich immer noch nicht geregt. » Na schön. Dann rede. «
Gemma sah sich um. Die Leute waren alle in ihr Tun vertieft, sonnten sich, lasen oder bauten Sandburgen, schauten aber immer wieder zu den Sirenen hinüber.
» Nicht hier « , sagte Gemma leise.
» Dann wirst du dich wohl gedulden müssen « , sagte Penn.
» Nein. Ich muss jetzt mit euch reden. «
» Mag sein, aber jetzt bin ich beschäftigt. « Endlich hob Penn den Kopf und schaute sie verärgert an. » Also wird es wohl warten müssen. «
» Nein. « Gemma schüttelte den Kopf. » Ich bleibe hier stehen, bis ihr mit mir woanders hingeht. «
Thea seufzte laut. » Penn, jetzt geh doch und rede mit ihr. Sonst haben wir hier keine Ruhe mehr. «
» Wenn ich gehe, gehen wir alle. « Penn warf Thea einen Blick zu, worauf diese mit einem verächtlichen Schnauben die Augen verdrehte.
» Gut. Dann sind wir hier wohl fertig. « Sie klappte ihr Buch zu und schleuderte es in ihre Strandtasche. » Komm schon, Lexi, pack deine Sachen. «
» Was? « Lexi schaute verwirrt. » Kommen wir nicht hierher zurück? Es kann doch einfach jemand auf unsere Sachen aufpassen. « Sie wandte sich an den älteren Mann neben ihr. » Wären Sie so freundlich, auf unsere Sachen aufzupassen, bis wir zurückkommen? Wir sind gleich wieder da. «
» Ja, klar, kein Problem. « Der Mann lächelte Lexi eifrig nickend an.
» Danke. «
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