WattenMord (German Edition)
nicht, aber fest steht, dass in fünf Minuten unsere Morgenrunde bei Matthias losgeht.“ Wiebke suchte einige Unterlagen zusammen und schnappte sich Block und Papier. „Komm schon“, sagte sie, als sich Petersen nicht rührte. „Oder willst du den Kollegen aus Flensburg etwas vorenthalten?“
„Falsches Thema“, murrte Petersen und stand ebenfalls auf. „Aber erst noch ein Tee.“
Wiebke hatte keine Einwände und hängte sich ihre leere Tasse an den kleinen Finger. Auf dem Weg zum Büro des Ersten Kriminalhauptkommissars machten sie Station in der Kaffeeküche. Wiebke schenkte sich einen Kaffee ein; Petersen setzte sich einen Tee auf. Danach begaben sie sich in das Büro von Matthias Dierks. Er telefonierte gerade, bedeutete seinen Mitarbeitern aber gestenreich, schon einmal am langen Besprechungstisch Platz zu nehmen. Nach und nach trudelten auch die anderen Kollegen ein. Nur von Kriminalhauptkommissar Udo Friedrichs fehlte jede Spur – auch von seinen Leuten ließ sich niemand blicken.
„Der Abschlussbericht der Obduktion ist heute Morgen auch eingetroffen“, bemerkte Piet Johannsen und wedelte mit einem Schnellhefter in der Luft herum. „Aber um es vorwegzunehmen: Entscheidende neue Erkenntnisse gibt es nicht.“
„Dann hören wir zuerst, was die Kollegen der Rechtsmedizin herausgefunden haben“, nickte Dierks, der vor Kopf des langen Tisches Platz nahm.
Petersen versenkte ein Kluntje in seinem Tee, und lehnte sich zurück, während er rührte. Das Klimpern des Löffels am Tassenrand störte niemanden. Vielleicht, dachte Wiebke, traut sich auch niemand etwas zu sagen, damit er nicht wieder ausrastet.
Johannsen rückte sich die Nickelbrille zurecht und schlug die Mappe auf. Nachdem er einmal in die Runde geblickt hatte, las er vor: „Fest steht die Todesursache, nämlich Tod durch Ertrinken. Aber das“, er lächelte, „wussten wir ja schon. Trotzdem kurz die Grundlage, vielleicht könnt ihr etwas daraus gewinnen.“ Piet Johannsen räusperte sich und holte tief Luft. „Tod durch Ertrinken erfolgt, wie wir uns denken können, durch das Einatmen von Flüssigkeiten, einer speziellen Form der Asphyxie, also einer Form des äußeren Erstickens. Der Tod erfolgte bei Holger Heiners in vier Phasen: Zunächst erlitt er einen Kälteschock, hervorgerufen durch das plötzliche Eintauchen seines Körpers in relativ kaltes Wasser. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass der Kälteschock mit Absinken der Wassertemperatur bedrohlicher wird. Einen Kälteschock erleidet man bei einer Wassertemperatur von knapp 20 Grad. Ab 15 Grad wird es schwierig, und wie wir wissen, hatte das Großbecken rund 11 Grad – absolut tödlich also für unser Opfer. Infolge des Kälteschocks wird die Funktion einiger Organe außer Kraft gesetzt. Parallel dazu führt das Einatmen von Wasser zu einem starken Husten. Durch die unkontrollierte Atmung kann das Opfer nicht verhindern, dass Wasser in die Lunge eindringt. Mediziner reden in einem solchen Fall vom primären Ertrinken.“
„Was soll uns das jetzt bringen?“, fragte Petersen und pustete in seine Tasse.
Johannsen ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. „Das sind die Grundlagen, mein lieber Petersen. Hinzu kommt, dass es vor dem Eintauchen ins Wasser des Großbassins offenbar zu einem Handgemenge gekommen ist. Beim Toten haben wir Blutergüsse festgestellt, die von einer Schlägerei stammen könnten. Ebenfalls gibt es Würgemale am Hals, die nicht auf den ersten Blick erkennbar waren, da sie durch den Druck des Wassers auf die Haut weniger ausgeprägt sind. Und eine Bisswunde am linken Unterarm. Problematisch ist jedoch die Bestimmung des Todeszeitpunkts, denn das ist bei Wasserleichen, wie wir ja wissen, nicht so einfach.“
„Demnach war das Opfer körperlich geschwächt, als es ins Wasser stürzte“, spann Wiebke den Faden weiter und erntete einen anerkennenden Blick von Dierks.
Johannsen nickte. „Korrekt. Und damit wurde der Tod durch Ertrinken begünstigt.“
„Konnte er denn nicht schwimmen?“, warf Sven Gerke nun ein und fuhr sich mit der Hand durch das kurze, blonde Haar.
„Das hat damit nichts zu tun“, erwiderte Johannsen. „Bei dieser Wassertemperatur hätte er ein sehr guter Schwimmer sein können, es hätte ihm nichts genutzt. Womit wir wieder bei den vier Phasen wären: Zunächst der Kälteschock, der bereits nach einer Minute eintritt. Nach drei Minuten ist das Opfer nicht mehr schwimmfähig. Wie wir wissen, gibt es einen recht hohen Rand am
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