WattenMord (German Edition)
sich an. Was sie sagten, konnte ich auf die Entfernung nicht verstehen, außerdem war es windig. Bei der Frau handelte es sich um Levke Kühn.“
„Kannten Sie den Mann auch?“ Wiebke hoffte, dass nun der Name von Torben Schäfer fallen würde.
„Ja.“ Madeleine Oelke nickte. „Bei dem Mann handelte es sich eindeutig um Holger Heiners.“
„Kein Zweifel?“, fragte Petersen.
„Absolut nicht, nein. Er hatte sie gepackt und schüttelte sie. Levke kreischte wie am Spieß und wehrte sich. Schließlich hat sie ihn gebissen. Erst nachdem Heiners ihr eine Ohrfeige verpasst hatte, ließ er von ihr ab. Ich bin dann schnell weitergefahren, damit Levke mich nicht sieht.“
„Gebissen?“ Petersen schien es nicht glauben zu können. „Und das erzählen Sie uns erst jetzt?“
„Es … es war mir unangenehm. Ich wollte nicht wie ein altes Waschweib dastehen.“
Wiebke winkte ab. „Haben Sie Frau Kühn darauf angesprochen, dass sie den Streit beobachtet haben?“
„Nein, mit keiner Silbe.“
„Gut.“ Wiebke nickte ihrem Partner zu. Sie bedankten sich und verabschiedeten sich von Madeleine Oelke. An der Tür des Sekretariats angekommen wandte sich Wiebke noch einmal zu ihr um. „Verraten Sie mir eins: Woher haben Sie ihre Beobachtungsgabe?“
Nun schmunzelte Madeleine Oelke. „Ich lese für mein Leben gern Krimis.“
Glücksburg-Sandwig, Yachthafen 10.05 Uhr
Unweit der Krimibuchhandlung gab es einen Supermarkt, in dem Ulbricht sich mit Zigaretten und einem zweiten Frühstück versorgt hatte, dann war er nach Sandwig aufgebrochen. Nachdem er den Vectra im Philosophenweg abgestellt hatte, legte er den Rest des Weges zu Fuß zurück. Vor dem Planetarium auf der gegenüberliegenden Seite des Weges hatte sich eine Schlange gebildet. Am Ende der Straße bot sich ihm ein Anblick, der ihn sehr an die Urlaube erinnerte, die er anfangs mit Brigitte erlebt hatte. Ulbricht stand mit in den Jackentaschen versenkten Händen am Bootsanleger und atmete tief durch, während er den Ausblick auf das Wasser genoss und sekundenlang alle Gedanken ausblendete.
Ein seichter Wind strich über die Flensburger Förde und spielte mit den Grasbüscheln am Ufer. Kleine Segelboote wirkten wie bunte Farbtupfer auf den glitzernden Wellen. Als die Sonne durch die Wolken brach und das Land in ein fast surreales Licht tauchte, war Ulbricht sicher, dass es ein derartiges Licht nur hier, ganz oben im Norden des Landes, gab. Alle Farben wirkten irgendwie kräftiger. Das seichte und von üppigem Grün bewachsene gegenüberliegende Ufer gehörte schon zu Dänemark. Ulbricht glaubte sich daran zu erinnern, dass die Staatsgrenze genau durch die Mitte der Förde verlief. Drüben lagen die Orte Østerkov, Olinde und Sønderhav. Als Ulbricht den Kopf nach links wandte, sah er die Schuppen des Yachtclubs. Es gab eine kleine Werft, darüber befand sich ein Gebäude, in dem offenbar das Clubheim des YCG untergebracht war.
„Moin.“
Ein bulliger Typ im Blaumann nickte ihm zu. Die Seemannsmütze saß schief auf dem beinahe rechteckigen Schädel; die Pfeife in seinem Mundwinkel war längst erkaltet. „Gefällts Ihnen?“
„Guten Morgen“, erwiderte Ulbricht und riss sich vom atemberaubenden Blick auf die Förde los. Innerlich schimpfte er sich einen Idioten. Wann würde er sich endlich daran gewöhnen, dass die Nordlichter sich rund um die Uhr mit einem zünftigen „Moin“ begrüßten und das nichts mit dem üblichen hochdeutschen Gruß am Morgen zu tun hatte?
„Hübsch hässlich haben Sie‘s hier.“ Ulbricht grinste.
„Kann ich Ihnen irgendwie weiterhelfen?“ Der norddeutsche Slang war unüberhörbar. „Sie seh‘n so orientierungslos aus, Meister.“
„Na schönen Dank auch.“ Ulbricht schnaubte. „Ich suche jemanden vom Vorstand des Yachtclubs. Vielleicht können Sie mir weiterhelfen?“
„Kommt drauf an. Ich bin übrigens Erik.“ Er reichte Ulbricht die Hand und drücke fest zu.
„Ulbricht, Norbert Ulbricht.“ Den Dienstgrad ließ er weg. Er wollte Erik nicht unnötig einschüchtern und dessen Misstrauen erwecken. Es gab einige Leute, die reagierten allergisch, wenn sie mit Polizisten sprachen. „Ich suche Holger Heiners. Kennen Sie ihn?“
Der Mann im ölverschmierten Overall bedachte Ulbricht mit einem mitleidigen Blick. „Sie lesen wohl keine Zeitung?“ Die Pfeife in seinem Mundwinkel wippte bei jedem Wort auf und ab.
„Warum?“ Ulbricht stellte sich absichtlich dumm und hoffte so, weitere Informationen über
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