WattenMord (German Edition)
sie hatten fast zeitgleich nach der Ausbildung ihren Dienst in Husum begonnen und waren zwischenzeitlich sogar als Team unterwegs gewesen. Dann schied der damalige Erste Kriminalhauptkommissar aus, und einer der beiden Partner sollte befördert werden. Es war zu der Zeit, als Petersen noch verheiratet war und seine Frau das Souvenirgeschäft am Husumer Binnenhafen führte.
Irgendjemand hatte damals dafür plädiert, Dierks zum Abteilungsleiter zu ernennen. Automatisch war er mit der Beförderung in eine höhere Besoldungsstufe gerutscht und leitete seitdem die Geschicke der Husumer Kriminalpolizei. Natürlich hatte er sich gefreut und sich schnell damit angefreundet, fortan mehr Verantwortung zu übernehmen. Doch es hatte ihm immer leidgetan, dass Petersen seitdem keine Beförderung mehr erfahren hatte.
Seit einiger Zeit hatte Jan Petersen eine Pechsträhne. Er rückte noch täglich aus, musste bei jedem Wetter Tag und Nacht präsent sein, seine Frau war ihm weggelaufen und nahm ihn seitdem aus wie eine Weihnachtsgans. Natürlich hatte er es nicht leicht, aber Dierks hatte sich vorgenommen ein strenger, aber fairer Vorgesetzter zu sein. Dass sich Petersen in den letzten Tagen aufführte wie ein Rebell, gefiel ihm ganz und gar nicht. Nicht, weil es nicht in sein Idealbild eines Hauptkommissars passte, sondern weil er Petersen schon lange genug kannte, um zu wissen, dass er vor einer Explosion stand.
Matthias Dierks öffnete eine Schublade in seinem Schreibtisch und nahm die Tüte mit den Lakritzbonbons heraus. Er knisterte mit der Packung, schob sich einen Lakritz in den Mund und hielt Petersen die Tüte hin. „Also, sag schon, was ist eigentlich los mit dir?“, fragte er, nachdem sie sich ein paar weitere Minuten stumm betrachtet hatten.
„Ich hab die Schnauze voll.“ Petersen griff in die Tüte und angelte nach einem Lakritz.
Dierks kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er auf das schwarze Zeug stand. „Die Schnauze voll von mir?“
Petersen nickte schmatzend. „Auch. Du kommandierst uns rum, als wären wir kleine Kinder. Wir haben unseren Job zur gleichen Zeit erlernt, sind quasi die dienstältesten Bullen in diesem Stall, und ich habe keine Lust, mich von dir bevormunden zu lassen.“
„Das verlangt der Job“, verteidigte sich Dierks.
Petersen winkte ab. „Hör doch auf mit dem Scheiß. Sobald sich Kollegen aus Flensburg oder Kiel in unsere Arbeit einmischen, ziehst du den Schwanz ein, Mattes.“
„Ich ziehe nicht den Schwanz ein, ich spiele nach den Regeln, die wir gemeinsam gelernt haben, wie du richtig bemerkt hast.“ Wütend knüllte er das Papier des Lakritzbonbons zusammen und beförderte es mit einem Schwung in den Papierkorb.
„Du hast doch `nen nassen Hut auf.“ Petersen tippte sich gegen die Schläfe. „Wenn du das wirklich so siehst, dass wir uns die Butter vom Brot nehmen lassen sollen, dann beantrage ich hiermit meine Versetzung.“ Er sprang wütend auf.
„Mach mal Urlaub, Petersen.“
„Der Witz war echt gut.“ Sein ehemaliger Partner lachte trocken auf und rieb Daumen und Zeigefinger aneinander. „Wovon denn? Am Ende des Geldes ist immer so viel Monat über, verstehst du? Ich reiß mir für den Stall hier den Arsch auf, und der Anwalt meiner Exfrau findet immer was Neues, wie er mich ausziehen kann bis aufs letzte Hemd. Und dann kommst du und wirfst mir Knüppel zwischen die Beine. Vielen Dank auch, Herr Kriminalhauptkommissar!“ Petersen rauschte aus dem Büro und knallte die Tür hinter sich zu.
Als die Schritte auf dem Flur verstummt waren, griff Matthias Dierks zum Telefon. Es war höchste Zeit, seinem ehemaligen Partner unter die Arme zu greifen. Es dauerte nur zwei Freizeichen, bis abgenommen wurde. „Wir müssen was tun“, kam Dierks gleich auf den Punkt. „Jan scheint mal wieder Schwierigkeiten zu haben. Und ich will nicht, dass er obdachlos wird.“
Glücksburg, 10.30 Uhr
Das Haus von Holger Heiners lag am Ende der Seestraße, einer Sackgasse, die am Ufer des Mühlenteiches in einen Wendehammer mündete. Ulbricht drosselte das Tempo und verrenkte sich den Hals nach dem Gebäude auf der linken Seite, dessen Fassaden nur aus Glas und Stahl zu bestehen schienen. Eine Hausnummer suchte er vergeblich, und so fuhr Ulbricht bis zum Wendehammer vor und parkte den Opel dort. Über seinem Kopf raschelte das Laub der Bäume im seichten Wind. Das Wasser des Mühlenteiches glitzerte im Licht der Sonne durch das dichte Geäst.
Ulbricht ließ den Blick über das
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