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Waugh, Evelyn

Waugh, Evelyn

Titel: Waugh, Evelyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ausflug ins wirkliche Leben
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was er je von mir bekommt. Eigentlich hätte er’s ja besser verdient.
    IV
    Sonia Trumpington hatte sich nicht wiederverheiratet. Sie teilte eine Wohnung mit Robin, ihrem Sohn, den sie aber selten zu Gesicht bekam. Meist verbrachte sie ihre Tage allein über ihrer Nadelarbeit oder mit Korrespondenz für die eine oder andere wohltätige Organisation, bei der sie [465] sich im Alter engagierte. Sie nähte gerade, als Basil sie nach dem Lunch (wieder Austern, diesmal zwei Dutzend mit einem halben Liter Champagner – er kam stündlich mehr zu Kräften) aufsuchte. Sie stichelte weiter an ihrer aufgespannten Kreuzstickerei, während er ihr sein Problem anvertraute.
    »Doch, ich kenne Charles Albright. Er ist ein recht guter Freund von Robin.«
    »Dann kannst du mir vielleicht mal sagen, was Barbara an ihm findet.«
    »Natürlich dich «, sagte Sonia. »Er ist dein genaues Ebenbild – Aussehen, Charakter, Benehmen, alles.«
    »Aussehen? Charakter? Benehmen? Bist du verrückt geworden, Sonia?«
    »Ich meine ja nicht, wie du jetzt bist, nicht einmal nach der Kur. Kannst du dich denn gar nicht mehr erinnern, wie du in seinem Alter warst?«
    »Aber er ist ein Ungeheuer!«
    »Das warst du auch, mein Lieber. Alles schon vergessen? Für mich ist der Fall ganz klar. Ihr Seals seid nun mal so inzestuös veranlagt. Was glaubst du, warum du so an Barbara hängst? Weil sie genau wie Barbara Sothill ist. Und warum ist Barbara so versessen auf Charles? Weil er so ist wie du. «
    [466] Basil dachte mit frisch geschärftem Geist darüber nach.
    »Dieser Bart.«
    »Dich habe ich auch schon mit Bart gesehen.«
    »Das war, als ich aus der Antarktis zurückkam, und ich habe mein Lebtag nie Gitarre gespielt«, sagte er.
    »Spielt Charles Gitarre? Das höre ich zum ersten Mal. Er tut alles Mögliche – genau wie du früher.«
    »Ich wäre dir dankbar, wenn du mich nicht dauernd ins Spiel brächtest.«
    »Hast du ganz vergessen, wie du warst? Guck doch nur mal in eins von meinen alten Fotoalben.«
    Wie die meisten Frauen ihrer Generation hatte Sonia in jungen Jahren dicke Bände mit Zeitungsausschnitten und Fotos von sich und ihren Freunden gefüllt. Diese lagen jetzt ungeordnet in einer Zimmerecke.
    »Hier feiert Peter in King’s Thursday seinen einundzwanzigsten. Da habe ich dich kennengelernt, soviel ich weiß. Jedenfalls bin ich dort Alastair zum ersten Mal begegnet. Er war damals Margots Freund, erinnerst du dich? Sie war heilfroh, ihn los zu sein… Das ist meine Hochzeit. Du warst doch bestimmt auch da.« Sie blätterte von den Gruppenbildern mit Braut, Bräutigam [467] und Brautjungfern zu den vor dem Tor von St. Margaret aufgenommenen Schnappschüssen. »Ja, hier bist du.«
    »Kein Bart. Und völlig korrekt angezogen.«
    »Warte nur, es kommen noch ein paar belastendere. Da, sieh dir das an… und das.«
    Sie klappten ein Album um das andere auf. Basil kam oft vor.
    »Ich finde die alle nicht besonders gut getroffen«, sagte Basil bockig. »Da war ich gerade von der Spanienfront gekommen – natürlich sehe ich da ein bisschen abgerissen aus.«
    »Wir reden ja nicht von Kleidern. Sieh dir mal dein Gesicht an.«
    »Da hat mir das Licht in die Augen geschienen«, sagte Basil.
    »1937. Wieder eine Party in King’s Thursday.«
    »Wie entsetzlich solche Scherzfotos doch sind. Was mache ich da um Himmels willen mit diesem Mädchen?«
    »Du schmeißt sie in den Teich. Ich erinnere mich jetzt. Das Foto habe nämlich ich gemacht.«
    »Wer ist sie?«
    »Keine Ahnung. Vielleicht steht es hinten drauf. Bloß ›Basil und Betty‹. Sie muss viel jünger gewesen sein als wir, gar nicht unser Schlag. Ich glaube jetzt sogar, sie war die Tochter [468] irgendeines Herzogs. Ja, stimmt – sie war eine von den Stayles.«
    Basil sah das Bild an und schauderte. »Was kann mich nur dazu gebracht haben, mich so zu benehmen?«
    »Jugendlicher Übermut.«
    »Gott steh mir bei, ich war vierunddreißig. Und sie ist auch noch so hässlich.«
    »Jetzt weiß ich wieder, wer sie ist – vielmehr war. Charles Albrights Mutter. Ein merkwürdiger Zufall, wenn du so willst. Sehen wir sicherheitshalber mal nach.«
    Sie fanden einen Adelskalender und lasen. »Da haben wir sie. Fünfte Tochter des verstorbenen Herzogs. Elizabeth Ermyntrude Alexandra, Patenkind des Herzogs von Connaught. Geboren 1920. Heirat 1940 mit Clarence Albright, der 1943 fiel. Nachkommenschaft. Gestorben 1956. Ich erinnere mich, davon gehört zu haben – Krebs, sehr jung. Diese Nachkommenschaft,

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