Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Way Out

Way Out

Titel: Way Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
Vom Netzwerk:
sich mit Taylor und Jackson zu einer kurzen Besprechung vor der Haustür. Reacher übernahm Taylors Waffe und machte sich auf den Weg zur Südseite des Hauses. Das Gewehr war von Taylors Händen noch warm. Der Sicherungshebel lag über und hinter dem Abzug. Kimme und Korn waren mit Tritium markiert und leuchteten schwach. Reacher stellte Einzelfeuer ein und hob das G-36 an die Schulter. Es war gut ausbalanciert und fühlte sich ziemlich gut an. In dem Tragegriff, einer übermäßig vergrößerten Version des M-16-Griffs, saß das ovale Okular des eingebauten Zielfernrohrs, ein einfaches Monokular mit dreifacher Vergrößerung. Nach den Gesetzen der Optik holte es ein Ziel dreimal näher heran, machte es aber zugleich drei Stufen dunkler, sodass es nachts nicht zu gebrauchen war. Aber insgesamt war das G-36 eine klasse Waffe. Bei Tageslicht bestimmt unübertrefflich.
    Er lehnte sich mit dem Rücken an die fensterlose Giebelwand und wartete. Er konnte Holzrauch von dem offenen Kamin in der Küche riechen. Als seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah er hinter dichten Wolken fahlen Mondschein, der das absolute Dunkel ein wenig aufzuhellen schien. Das war immerhin tröstlich. Aus der Ferne konnte ihn niemand sehen. Er trug zu seiner grauen Hose eine graue Jacke und lehnte mit einem schwarzen Gewehr an einer grauen Hausmauer. Seinerseits konnte er Autoscheinwerfer meilenweit und einen Mann zu Fuß aus etwa drei Metern Entfernung erkennen. Nahkampfentfernung. Aber aufs Sehvermögen kam es nachts ohnehin nicht an. In der Dunkelheit war das Gehör wichtiger. Geräusche waren das beste Frühwarnsystem. Reacher selbst konnte völlig lautlos warten, weil er sich nicht bewegte. Aber Eindringlinge konnten das nicht, sie mussten sich bewegen.
    Er trat zwei Schritte vor und blieb wieder stehen. Bewegte seinen Kopf langsam von links nach rechts und beschrieb so einen weiten Zweihundert-Grad-Bogen, der den dreidimensionalen Raum markierte, in dem er jedes Geräusch wahrnehmen musste. Wenn Pauling im Norden des Hauses das Gleiche tat, hatten sie gemeinsam sämtliche Annäherungswege unter Kontrolle. Anfangs hörte er überhaupt nichts. Wie im Vakuum. Als wäre er taub geworden.
    Als er sich dann entspannte und konzentrierte, begann er die winzigen, fast nicht wahrnehmbaren Laute zu registrieren. Das Rascheln, wenn eine leichte Brise die Blätter weit entfernter Bäume bewegte. Das Summen der eine Meile weit entfernten Hochspannungsleitung. Das Gluckern des Grabenwassers, das Erde in Schlamm verwandelte. Trocknende Erdkrümel, die in Furchen rieselten. Feldmäuse in ihren Bauten. Reacher drehte seinen Kopf wie eine Radarantenne nach links und rechts und wusste, dass jede menschliche Annäherung ebenso gut von einer Militärkapelle hätte begleitet sein können. Unabhängig davon, wie leise jemand zu sein versuchte, würde er sie aus hundert Metern Entfernung deutlich hören.
    Reacher, in der Dunkelheit allein. Bewaffnet und gefährlich. Unbesiegbar.
     
    Er verharrte fünf Stunden an einer Stelle. Es war kalt, aber erträglich. Niemand tauchte auf. Um 6.30 Uhr zeigte sich weit links von ihm die Sonne. Über den Morgenhimmel zog sich waagrecht ein breites rosa Band. Darunter eine dicke Schicht Bodennebel. Helligkeit breitete sich wie eine langsam hereinbrandende Flut nach Westen aus.
    Die Morgendämmerung eines neuen Tages.
    Die gefährlichste Zeit.
    Taylor und Jackson kamen mit dem dritten und vierten Gewehr aus dem Haus. Reacher sprach nicht. Nahm nur eine neue Position auf der Rückseite des Hauses ein, lehnte mit einer Schulter an der Hausecke und behielt den Süden im Auge. Taylor stand in ähnlicher Haltung auf der Vorderseite des Hauses. Ohne hinsehen zu müssen, wusste Reacher, dass Jackson und Pauling zwanzig Meter hinter ihnen das Gleiche taten. Vier Waffen, vier Augenpaare.
    Annehmbare Sicherheit.
    Solange sie’s schafften, die Stellung zu halten.

70
     
    Sie blieben den ganzen Tag lang auf Position. Den ganzen Vormittag, den ganzen Nachmittag und bis weit in den Abend hinein. Vierzehn Stunden ohne Unterbrechung.
    Lane kam nicht.
    Jeweils einer durfte kurze Essenspausen und noch kürzere Pausen zum Austreten machen. Um etwas Abwechslung zu haben, tauschten sie im Uhrzeigersinn die Stellungen. Ihre dreieinhalb Kilo schweren Gewehre schienen allmählich dreieinhalb Tonnen zu wiegen. Jackson verschwand für ein paar Minuten und stellte die Vogelscheuche wieder an. Danach zerrissen in nicht vorausberechenbaren

Weitere Kostenlose Bücher