Way Out
Taschentuch oder sonst was über die Sprechmuschel gelegt.«
»Wie hoch war das Lösegeld?«
»Hundert Mille.«
»Aber Lane hat die Cops gerufen.«
Patti nickte. »Aber nur, um sich gewissermaßen ein Alibi zu verschaffen. Als wollte er unabhängige Zeugen haben. Für ihn war’s entscheidend wichtig, für die anderen Kerle, die nicht eingeweiht waren, glaubwürdig zu bleiben.«
»Und dann?«
»Alles wie im Film. Das FBI hat Telefone abgehört und die Übergabe des Lösegelds beobachtet. Lane behauptet, die Agenten seien dabei gesehen worden. Aber die ganze Sache war ein Schwindel. Sie haben vergebens gewartet, weil niemand aufgekreuzt ist, und das Geld wieder mitgebracht. Alles nur Theater, eine Scharade. Lane hat seine Rolle gespielt; dann ist er mit der Gewissheit zurückgekommen, dass die Cops und das FBI seine Story glaubten, und hat Anne ermorden lassen. Davon bin ich überzeugt.«
»Was hat der andere Mann zu diesem Zeitpunkt gemacht? Hobart?«
»Das weiß niemand genau. Er hatte dienstfrei und behauptet, er sei in Philadelphia gewesen. Aber offenbar hat er in dem Geschäft darauf gewartet, dass Anne auftauchen würde. Er war die andere Hälfte der Gleichung.«
»Sind Sie damals zu den Cops gegangen?«
»Die haben mich ignoriert«, antwortete Patti. »Bedenken Sie, das war alles vor fünf Jahren, nicht lange nach dem elften September. Jedermann war anderweitig beschäftigt und das Militär mit einem Mal wieder en vogue. Die Menschen haben Schutz gesucht, wissen Sie, deshalb waren Typen wie Lane plötzlich beliebt. Ehemalige Angehörige der Special Forces fand man damals ziemlich cool. Ich habe auf verlorenem Posten gestanden.«
»Was ist mit diesem Kriminalbeamten Brewer?«
»Er toleriert mich. Was bleibt ihm anderes übrig? Ich bin eine Steuerzahlerin. Aber ich glaube nicht, dass er irgendetwas unternimmt. Ich bin realistisch.«
»Haben Sie irgendeinen Beweis gegen Lane in der Hand?«
»Nein«, sagte Patti. »Nicht den geringsten. Ich habe nur den Kontext, das Gefühl und die Intuition. Mit mehr kann ich nicht antworten.«
»Kontext?«
»Wissen Sie, welchen Zweck private Militärfirmen in Wirklichkeit haben? Grundsätzlich?«
»Grundsätzlich verschaffen sie dem Pentagon die Möglichkeit, sich der Aufsicht durch den Kongress zu entziehen.«
»Genau«, sagte Patti. »Ihre Leute sind nicht unbedingt bessere Kämpfer als die gegenwärtig eingesetzten Soldaten. Oft sind sie schlechter – und jedenfalls sehr viel teurer. Sie befinden sich dort, weil sie sich an keine Vorschriften zu halten brauchen. So einfach ist das. Käme ihnen die Genfer Konvention in die Quere, brauchten sie sich nicht daran zu halten, weil niemand sie wegen Verstößen dagegen anklagen kann. Und die Regierung hat nichts damit zu schaffen.«
»Sie sind gut informiert«, meinte Reacher.
»Was für ein Kerl ist Lane also, wenn er in diesem Geschäft mitmischt?«
»Das möchte ich von Ihnen hören.«
»Er ist ein gemeiner, heimtückischer Egomane.«
»Was hätten Sie aus heutiger Sicht damals tun sollen? Um Anne am Leben zu erhalten?«
»Ich hätte sie überzeugen müssen. Ich hätte sie unbedingt dort rausholen sollen – mittellos, aber lebendig.«
»Nicht einfach«, sagte Reacher. »Sie waren die kleine Schwester.«
»Aber ich hab’s gewusst.«
»Wann sind Sie hier eingezogen?«
»Ungefähr ein Jahr nach Annes Tod. Ich konnte die Sache nicht auf sich beruhen lassen.«
»Weiß Lane, dass Sie hier sind?«
Patti schüttelte den Kopf. »Ich bin sehr vorsichtig. Und diese Stadt ist unglaublich anonym. Man kann hier jahrelang leben, ohne seinen Nachbar auch nur zu Gesicht zu bekommen.«
»Was soll ich tun?«
»Tun?«
»Sie haben mich zu einem bestimmten Zweck mitgenommen. Und Sie haben damit verdammt viel riskiert.«
»Ich glaube, für mich wird’s Zeit, etwas zu riskieren.«
»Was soll ich also tun?«
»Ich möchte nur, dass Sie von dort drüben weggehen. Um Ihretwillen. Machen Sie sich nicht die Hände schmutzig, indem Sie für ihn arbeiten. Das kann zu nichts Gutem führen.«
Kurzes Schweigen.
»Und er ist gefährlich«, fuhr Patti fort. »Gefährlicher, als Sie ahnen. Es ist nicht clever, sich auch nur in seiner Nähe aufzuhalten.«
»Ich werde vorsichtig sein«, versicherte ihr Reacher.
»Sie sind alle gefährlich.«
»Ich werde vorsichtig sein«, wiederholte Reacher. »Das bin ich immer. Aber ich kehre jetzt dorthin zurück. Ich gehe von dort weg, wenn ich’s für richtig halte.«
Patti Joseph
Weitere Kostenlose Bücher