Waylander der Graue
fest im Arm hielten, Ehemänner, die so nah wie möglich bei ihren Liebsten standen. Hunderte der Bürger von Carlis hatten hier Zuflucht gesucht, Arbeiter, Kaufleute, Gerber und Schreiber, alle drängten sich aneinander. Ein paar Soldaten waren unter ihnen, Männer, die Befehl hatten, nach dem abtrünnigen Priester Chardyn Ausschau zu halten.
Priester gingen durch die Menge, segneten die Menschen und sprachen Gebete vor.
Der Leichnam eines älteren Mannes lag an einer der Wände, das Gesicht von einem Umhang bedeckt. Sein Herz hatte versagt. Der Tote erinnerte an die Gefahren, die sie draußen erwarteten. Überall war die Angst fast greifbar, und Gespräche wurden nur in unterdrücktem Flüsterton geführt. Das Thema war überall dasselbe. Würden die geheiligten Mauern die Dämonen fern halten? Waren sie an diesem heiligen Ort sicher?
Eine weiß gekleidete Gestalt kam in Sicht und stieg die Stufen zum Hochaltar empor. Ein Schrei entrang sich der Menge, als sie Chardyn erkannten. Die Menschen begannen zujubeln. Erleichterung durchströmte die Massen.
Chardyn stand so, dass er von allen gut zu sehen war, und breitete die Arme aus. »Meine Kinder!«, dröhnte er. Ein paar der Soldaten zwängten sich nach vorn. Chardyn sah sie an. Seine Summe donnerte: »Bleibt, wo ihr seid!«, befahl er.
In seiner Stimme lag eine solche Macht, dass die Soldaten stehen blieben und einander fragend ansahen. Die Menge würde jeden in Stücke reißen, der versuchte, dem Priester etwas zuleide zu tun. Die Soldaten entspannten sich.
»Der Herzog ist tot«, sagte Chardyn und richtete seinen Blick auf die Menschen. »Er wurde durch Zauberei ermordet. Und jetzt machen Dämonen das Land unsicher. Ihr wisst das. Ihr wisst, dass ein Magier Höllenhunde beschworen hat, um zu töten und zu zerfleischen. Deswegen seid ihr hier. Aber lasst mich euch eins fragen: Glaubt ihr, dass diese Mauern euch beschützen? Diese Mauern wurden von Menschen gebaut.« Er schwieg, sein Blick glitt über die schweigende Gemeinde. Dann deutete er auf einen großen Mann, der in der Mitte der Menge stand. »Ich sehe dich, Benae Tarlin! Du und deine Leute habt die Südmauer erbaut. Welche Macht hast du, die die Dämonen zurückhalten wird? Welche Magie hast du in diese Steine gelegt? Welche Schutzzauber hast du gesprochen?« Er wartete auf eine Antwort. Die Menge drehte sich um und starrte den grobschlächtigen Mann an, der errötete und nichts sagte. »Die Antwort ist: Keine!«, tönte Chardyn. »Es sind nichts weiter als Mauern aus Stein. Kalter, lebloser Stein. Und wo, könntet ihr fragen, ist dann nun der Schutz gegen das Böse, das da draußen lauert? Wo können wir uns verbergen, damit wir in Sicherheit sind?« Er hielt inne und ließ die Stille wachsen.
»Wo ist jedermann sicher vor dem Bösen?«, sagte er schließlich. »Die Antwort lautet: Nirgendwo. Ihr könnt vor dem Bösen nicht davonlaufen. Es wird euch finden. Ihr könnt euch nicht vor dem Bösen verbergen. Es wird sich in die tiefsten Tiefen eurer Herzen graben und euch entdecken.«
»Und was ist mit der QUELLE?«, rief ein Mann. »Warum beschützt sie uns nicht?«
»Ja, was ist mit der QUELLE?«, donnerte Chardyn. »Wo ist sie in eurer Stunde der Not? Nun, sie ist hier, meine Freunde. Sie ist bereit. Sie wartet mit einem Schild aus Donner und einem Speer aus Blitzen. Sie wartet.«
»Worauf wartet sie?«, rief jemand. Es war der Steinmetz, den Chardyn vorhin angesprochen hatte.
»Sie wartet auf dich, Benae Tarlin«, antwortete Chardyn. »Sie wartet auf dich, und sie wartet auf mich. Im Palast des Grauen Mannes ist ein Magier, ein Mann, der Dämonen beschwört. Er hat die Grafen Aric und Panagyn verhext und das Massaker an vielen unserer führenden Mitbürger arrangiert. Jetzt herrscht er über Carlis, und bald vielleicht schon über ganz Kydor. Ein Mann. Ein schlechter, abscheulicher Mann. Ein Mann, der glaubt, dass der Mord an einer Reihe von Edelleuten die ganze Bevölkerung einschüchtert und terrorisiert. Hat er Recht? Natürlich hat er Recht. Hier sind wir und ducken uns hinter Mauern aus Stein. Und die QUELLE wartet. Sie wartet, um zu sehen, ob wir genügend Mut haben zu glauben, ob wir den Glauben haben zum Handeln. Jede Woche versammeln wir uns hier und singen der QUELLE Lieder von ihrer Größe und ihrer Macht. Glauben wir daran? Wenn die Zeiten gut sind, dann ja. Ihr lauscht den Predigten über die Heldentaten der QUELLE, über den Abt Dardalion und die Dreißig. Ja, da lässt sich
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