Waylander der Graue
erzählte.«
»Was war das denn nun für ein Ort?«, fragte Bragi. Er hatte hängende Schultern und schütteres schwarzes Haar.
»Die Stadt hieß Guanador, glaube ich«, antwortete Kym. »Großvater sagte, dass es einen großen Krieg gab und die ganze Stadt zerstört wurde.«
»Und wo kommen da die Ungeheuer ins Spiel?«, fragte ein anderer Mann.
Kym zuckte die Achseln. »Sie hatten Zauberer, und sie hatten große schwarze Hunde mit Zähnen aus scharfem Eisen. Und es gab Bärenmenschen, zwei Meter groß mit Krallen wie Säbel.«
»Wieso wurden sie dann besiegt?«, fragte Bragi.
»Weiß ich nicht«, sagte Kym. »Ist doch nur eine Geschichte.«
»Ich hasse solche Geschichten«, erklärte Bragi. »Ergeben überhaupt keinen Sinn. Wer hat sie überhaupt besiegt?«
»Keine Ahnung! Ich wünschte, ich hätte gar nicht davon angefangen.«
Der Nebel wurde dichter und waberte ins Lager. »Mensch, ist das kalt«, sagte Bragi, nahm eine Decke und legte sie sich um die Schultern.
»Du musst auch immer etwas zu jammern haben«, sagte ein kräftig gebauter Mann mit kahlgeschorenem Schädel und gegabeltem Bart.
»Ach, die Pest über dich, Canja«, fauchte Bragi.
»Aber er hat Recht«, sagte jemand anders. »Es ist verdammt kalt. Das ist dieser Nebel. Fühlt sich an wie Eis.« Die Männer standen auf, um mehr Holz für das Feuer zu holen. Dann setzten sie sich darum, in ihre Decken gehüllt.
»Das ist ja schlimmer als im Winter«, meinte Kym.
Einen Augenblick später war die Kälte vergessen, denn ein entsetzlicher Schrei hallte durch die Nacht. Kym fluchte und zog sein Schwert. Canja sprang auf, den Dolch in der Hand, und spähte am Feuer vorbei. Der Nebel war so dick, dass er kaum zwei Meter weit sehen konnte.
»Ich wette, das ist dieser Rajnee«, sagte er. »Er ist irgendwo da draußen.«
Canja ging ein Stück in den Nebel hinein. Kym beobachtete ihn.
Ein merkwürdiges Geräusch setzte ein. Die Männer sahen sich an, dann sprangen sie auf.
»Was zum Teufel ist das?«, flüsterte einer. Es klang, als würde etwas über den felsigen Boden kratzen, dort wo sie nichts mehr sehen konnten.
Der Nebel wurde noch dicker, floss um das Feuer herum, es zischte und qualmte. Dann hörten sie ein ekliges Geräusch, gefolgt von einem Stöhnen. Kym fuhr herum und sah Canca, der zurück zum Feuer taumelte. Blut schoss aus einem riesigen Loch in seiner Brust. Sein Mund stand offen, doch es kam kein Laut heraus. Dann schloss sich etwas Weißes um den Kopf des Sterbenden und riss ihn vom Körper.
Bragi machte auf dem Absatz kehrt und rannte ein paar Schritte in die entgegengesetzte Richtung. Eine große weiße Gestalt kam aus dem Nebel, ein krallenbewehrter Arm fuhr herab. Bragis Gesicht verschwand in rotem Sprühnebel. Die Krallen rissen ihm den Bauch auf und schleuderten ihn hoch in die Luft.
Kym schrie auf und wich zum Feuer zurück, wo er einen brennenden Ast packte, den er vor sich hin und her schwenkte.
»Weg!«, brüllte er. »Weg mit euch!«
Irgendetwas Kaltes schlang sich um seinen Knöchel. Er blickte nach unten und sah eine weiße Schlange über seinen Stiefel gleiten. Er machte einen Satz zurückdirekt in die Flammen. Flammen züngelten über seine Hosen. Der Schmerz war schrecklich, aber trotzdem konnte er durch ihn hindurch noch sehen, wie riesige weiße Gestalten sich von allen Seiten dem Feuer näherten.
Kym ließ den Ast fallen, zog seinen Dolch und setzte die Spitze an seine Kehle. Er schloss die Augen und rammte sich das Messer in den Hals.
Etwas traf ihn im Rücken, und er stürzte aus dem Feuer. Während er an seinem Blut erstickte, fühlte er, wie scharfe Zähne in seine Seite drangen.
Und der Nebel schloss sich über ihm.
Kysumu saß mit verschränkten Beinen auf dem Boden, den Rücken gegen einen Baum gelehnt. Er schlief nicht, sondern befand sich in einer meditativen Trance, die dazu diente, seine müden Muskeln zu beleben. Es dauerte viele Minuten, die Trance herzustellen, denn das Schnarchen von Yu Yu Liang, der neben ihm lag, störte ihn ständig, wie ein Insekt, das einem an einem Sommertag um die Nase summt.
Seine langen Ausbildungsjahre kamen Kysumu jetzt zustatten, denn er schob ruhig alle Gedanken an Yu Yu beiseite und schärfte seine Konzentration. Sobald das erreicht war, entlud er sie in einen Strudel der Leere und hielt nur das Bild von einer blauen Blume fest, strahlend und zart vor einem Hintergrund aus endlosem schwarzem All, das nicht von Sternen erhellt wurde.
Langsam – ganz
Weitere Kostenlose Bücher