Waylander der Graue
rechtem Bizeps und half ihm auf. »Das ist nicht klugjunger Mann. Du bist sehr schwach.« Der Arzt richtete ihm die Kissen im Rücken, und Yu Yu lehnte sich dankbar dagegen.
»Wo ist Kysumu?«
»Er ist mit dem Herzog und seinen Männern unterwegs. Er wird bald zurück sein, keine Frage. Wie fühlt sich die Wunde an?«
»Tut weh.«
Mendyr Syn füllte einen Becher mit kaltem Wasser und hielt ihn Yu Yu an die Lippen. Es schmeckte göttlich, als es seine ausgedörrte Kehle hinunterrann. Er lehnte den Kopf an die Kissen, schloss die Augen wieder und glitt in einen traumlosen Schlaf. Als er erwachte, schien die Sonne nicht mehr aufs Bett, sondern auf die gegenüberliegende Wand.
Das Zimmer war leer, und Yu Yu hatte wieder Durst. Er schob die Decken zurück und versuchte, seine Beine aus dem Bett zu schwingen.
»Bleib, wo du bist, Schlitzauge«, sagte eine Stimme. »Du bist nicht in der Verfassung aufzustehen.« Eine andere Gestalt beugte sich über ihn. Er sah auf in das Gesicht eines Mannes mit geschwollener Nase und farblosen Augen. Es war der goldhaarige Wachsergeant, der ihn vor so vielen Jahren beleidigt hatte. Es war alles so verwirrend. »Was brauchst du denn?«, fragte der Mann.
»Wasser«, bat Yu Yu. Der Sergeant füllte einen Becher und setzte sich aufs Bett. Er reichte Yu Yu den Becher, der ihn mit der rechten Hand nahm und in tiefen Zügen trank. »Danke.« Er dachte angestrengt nach. So viele Szenen wirbelten in seinem Kopf herum wie ein Beutel von Perlen ohne Schnur. Er schloss die Augen und begann langsam und sorgfältig die Gedanken zu ordnen. Er hatte Kiatze verlassen, nachdem er Shi Da zusammengeschlagen hatte. Dann hatte er die Räuber getroffen und später Kysumu. Gemeinsam waren sie … Einen Augenblick schwamm er. Dann erinnerte er sich an den Palast und den geheimnisvollen Grauen Mann. Er riss die Augen auf. »Wo ist mein Schwert?«
»Du wirst eine ganze Weile lang kein Schwert brauchen«, sagte der Sergeant. »Aber es steht da an der Wand.«
»Reiche es mir, bitte.«
»Gern.«
»Fass nur die Scheide an«, warnte Yu Yu. Der Wachmann nahm die Waffe und legte sie neben Yu Yu. Dann kehrte er zu seinem Stuhl neben der Tür zurück.
»Warum bist du hier?«, fragte Yu Yu.
»Der Gentleman hat mir befohlen, auf dich aufzupassen.« Er lächelte. »Offenbar glaubt er, du hättest Feinde.«
»Bist du einer von ihnen?«
Der Mann seufzte. »Ja. Ich will ehrlich sein. Ich mag dich nicht, Schlitzauge. Aber ich werde vom Gentleman bezahlt. Er behandelt mich gut, und dafür befolge ich seine Befehle. Ganz und gar. Es ist mir ziemlich gleich, ob du lebst oder stirbst, aber keiner deiner – anderen – Feinde wird dir zu nahe kommen, so lange ich lebe.«
Yu Yu lächelte. »Mögest du lange leben«, sagte er.
»Stimmt es, dass ihr von Dämonenhunden angegriffen wurdet?«
Die zerrissenen Erinnerungen kehrten zurück, die Ruinen und der Mondschein, die schwarzen Hunde, die sich verstohlen in den Schatten bewegten. »Ja, das stimmt.«
»Wie sahen sie aus?«
»Gegen sie wirken Wölfe wie Ferkelchen«, antwortete Yu Yu, unwillkürlich schaudernd.
»Hattest du Angst?«
»Große Angst. Was macht deine Nase?«
»Tut weh.« Der Mann zuckte die Achseln. »Ich hätte auf meinen Vater hören sollen. Wenn du kämpfen willst, dann kämpfe. Dann rede nicht. Du hast hart zugeschlagen, Schlitzauge.«
»Ich heiße Yu Yu.«
»Ich bin Emrin.«
»Es freut mich, dich zu kennen gelernt zu haben«, sagte Yu Yu.
»Freu dich nicht zu sehr. Ich habe vor, es dir heimzuzahlen, sobald du wieder bei Kräften bist.«
Yu Yu lächelte und schlief wieder ein. Als er wach wurde, schien die Sonne nicht mehr. Emrin hatte eine Laterne angezündet und sie an die Wand gehängt. Der Soldat döste in seinem Stuhl. Yu Yu hatte Hunger und sah sich im Zimmer nach etwas zu essen um. Es gab nichts. Vorsichtig schwang er seine Beine über die Bettkante, stützte sich auf sein Schwert und schob sich hoch. Seine Beine waren etwas wackelig.
Emrin erwachte. »Was machst du denn da?«, fragte er.
»Ich will etwas zu essen suchen«, sagte Yu Yu.
»Die Küche ist zwei Stockwerke tiefer. Bis dahin schaffst du es nie. Warte ein Weilchen. Eins der Mädchen wird in etwa einer Stunde Abendbrot bringen.«
»Ich mag nicht hier liegen«, sagte Yu Yu. »Ich mag nicht so … schwach sein.« Seine Beine gaben plötzlich nach, und er sank wieder aufs Bett. Er fluchte auf Kiatze.
»Na schön«, sagte Emrin. »Ich helfe dir. Aber du kannst nicht nackt
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